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Die wirtschaftliche Rüstung.
Kriege entsprechend der Vermehrung und technischen Vervollkommnung des
Kriegsmaterials und dem zahlenmäßigen Wachstum der Land-- und See
streitkräfte ständig gestiegen. Im Kriege mußte der Industrie in außer
ordentlich erhöhtem Maße die bedeutsame Aufgabe der Versorgung der
Streitkräfte mit Kriegsmaterial aller Art zufallen. Eine leistungsfähige
Rüstungsindustrie war danach die Voraussetzung für den Ausbau der
Wehrmacht sowie für die Durchführung eines Krieges.
Das Deutsche Reich verfügte über eine Industrie, die in schneller
Entwicklung zu der bedeutendsten des europäischen Kontinents geworden
war. Ihre natürlichen Grundlagen ruhten auf den großen Schätzen an
Erzen und Steinkohlen, die der deutsche Boden im Westen und Süd
osten des Landes barg, ihr Cmporblühen verdankte sie der Energie und
dem Crfindungsreichtum, dem Geschick und dem großen Fleiße des deutschen
Volkes. Der Stand der Kohlen- und Eisenindustrie, dieses Grundpfeilers
des modernen Wirtschaftslebens, war der beste Gradmesser für die indu
strielle Entwicklung des Deutschen Reiches. Hier hatte einst England die
unbestrittene Führung besessen, jetzt war es durch Deutschland teils ein
geholt, teils überflügelt.
Die Erzeugung von Rohstoffen hatten sich in Deutschland in
40 Jahren vervielfacht. Der Bergbau förderte an Steinkohlen 1871:
34 485,5 Millionen Tonnen, im Jahre 1913: 190 109,4 Millionen Tonnen;
an Eisenerzen 1871: 5261,8, 1913: 28 607,9 Millionen Tonnen. Die
Steinkohlenförderung hielt mit den Bedürfnissen der weiterverarbeitenden
Industrie ständig Schritt, sie konnte sogar einen großen Teil ihrer Förde
rung an das Ausland abgeben. Reben dieser Steinkohlenförderung stand
ein stetig zunehmender Abbau von Braunkohlen, der im Jahre 1913 die
stattliche Menge von 87,2 Millionen Tonnen gegen 9,67 im Jahre 1871
erreicht hatte. Wenn man die geförderte Menge beider Kohlenarten zu
sammenrechnet, hatte Deutschland im Jahre 1913 die Menge der in Eng
land geförderten Kohlen nahezu erreicht.
Dieser Reichtum an Kohlen war für die deutsche Industrie um so be
deutungsvoller, als die übrigen Rohstoffe nicht in genügenden Mengen ge
fördert werden konnten. Im Jahre 1913 verarbeiteten die Hütten und
Schmelzwerke 40 Millionen Tonnen Eisenerze, aber 11s4. Millionen
Tonnen davon stammten aus dem Auslande. Obwohl Deutschland zahl
reiche eigene Eisenerzlager besaß, war es infolge der wachsenden Pro
duktion doch gezwungen gewesen, auch ausländische Erze heranzuziehen;
zudem enthielten diese fremden Erze zum Teil einen höheren und besseren
Eisengehalt als die deutschen. Diese Abhängigkeit von ausländischer Zu
fuhr erschien weniger bedenklich, wenn man berücksichtigt, daß ein sehr be