Gewehr 88 und 98.
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Ministerium jedoch Bedenken hatte, da die Verwundungsfähigkeit des kleinen
Kalibers nicht ausreichend erschien. Dagegen wünschte es unter Veibehalt
des bisherigen Kalibers die Verbesterungen dieses Versuchsgewehrs auf das
Gewehr 88 zu übertragen, was jedoch nur dmch eine Neukonstruktion mög
lich war. Sie wurde im April 1898 unter der Bezeichnung „Gewehr 98"
eingeführt, das in ballistischer Beziehung gegenüber seinem Vorgänger jedoch
keinen Fortschritt darstellte. Gleichzeitig wmde ein neues, verhältnismäßig
langes und schmales Seitengewehr (M 98) eingeführt, da man für den
Nahkampf eine möglichst weitreichende Waffe für nötig hielt.
Bei dem gleichen Kaliber und der gleichen ballistischen Leistung der
beiden Gewehre erschien eine beschleunigte Ambewaffnung der Armee nicht
erforderlich. Die Fertigung der neuen Gewehre erfolgte daher zunächst fast
ausschließlich in den staatlichen Gewehrfabrikew) und nach Maßgabe der
Mittel des laufenden Veschaffungsfonds. Cs konnten daher alljährlich nur
die Infanterie- (Jäger-) und Pionierformattonen von durchschnittlich
1% Armeekorps in Kriegsstärke, einschließlich Crsatztruppen, umbewaffnet
werden. Für die Kriegsbereitschaft des Heeres hatte diese langsame Am
bewaffnung allerdings Bedenken. Vor allem waren Schwierigkeiten beim
MunitionsersaH auf dem Gesechtsfelde zu befürchten, da Patronen
verpackung und -Zuführung (Ladestreifen statt Pattonenrahmen) bei beiden
Gewehren verschieden waren. Vom Generalstabe wmde daher zu Beginn
des Jahrhunderts wiederholt eine Beschleunigung der Ambewaffnung ge
fordert. Das Kriegsministerium erklärte sich indes nur bereit, die Am-
bewaffnung in entsprechend längeren zeitlichen Zwischenräumen derart vor
zunehmen, daß mehrere, nach dem Mobilmachungsplan zu einer Armee
gehörende Korps auf einmal das neue Gewehr erhielten.
Inzwischen hatte das Stteben nach Erhöhung der ballisttschen Leistung
des Gewehrs in Frankreich wie in Deutschland zu einer Änderung der Ge
schoßkonstruktton geführt. Anter Verwertung von Verbesserungen der
chemischen Zusammensetzung des Pulvers hatte die Gewehr-Prüfungs
kommission im Jahre 1902 ein Geschoß hergestellt, das sich äußerlich durch
seine zugespitzte Form von den bisherigen „Rundkopfgeschossen" unterschied
und daher S- (— Spitz-) Geschoß genannt wmde. Die Verwendung
des verbesserten Pulvers ermöglichte in Verbindung mit dem geringeren
Gewicht des S-Geschosses (10 g gegen 14,75 g des Geschosses 88) eine
erheblich höhere Anfangsgeschwindigkeit (860 m), seine Zuspitzung eine
leichtere Überwindung des Luftwiderstandes. So erhielt das S-Geschoß
gegenüber der Pattone 88 auf den für die Gesechtsentscheidung wichttgsten
0 S. 391.
Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft.
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