Volltext: Festschrift anläßlich des 80-jährigen Jubiläums vom "Marien-Brünnl" bei Ketzelsdorf

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Von Zeit zu Zeit das Bellen eines Wachhundes beim Knarren 
eines schweren Fuhrwerkes — und wieder ist tiefe Stille. 
Wir stehen auf dem unteren Platze, der von Fichten, 
Erlen und Kiefern angenehm beschattet wird. Die knorrige Kiefer 
hat hier den Vorrang, weil sie im dürftigen gelben Sandboden 
noch am besten gedeiht. Wir lenken unsere Schritte an den 
Devotionaliengeschäften vorüber zum Gnadenbrünnlein neben der 
alten Kirche. Höre, frommer Pilger, was die Geschichte 
darüber Wunderbares berichtet: 
Man schrieb das )ahr 1848. Eine stürmische Zeit draußen in 
der unruhigen Welt. Hoch gingen die Wogen politischer Kämpfe 
und blutiger Revolutionen. Hier war's nicht so schlimm. Eine 
Bewegung aber ganz anderer Art sollte von da ihren Anfang 
nehmen. Im Hause Nr. 152 wohnte ein Blattbinder in den 
ärmlichsten Verhältnissen. Ignaz Tomasch — so hieß der Vater 
— konnte nur kärglich seine Familie ernähren und die liebe Not 
war in der kleinen Stube täglicher Gast. Aber es fehlten auch 
nicht die Stützen jedes Hauses — Gebet und unerschütterliches 
Gottvertrauen. 
Die Mutter litt schon seit längerer Zeit an einem bösartigen 
Augenleiden, das sich von Tag zu Tag verschlimmerte. Auch kein 
Arzt konnte mehr raten und helfen — das Allerärgste, die Er 
blindung, stand bevor. Das Augenlicht wurde trüber und trüber, 
bald mußte es erlöschen für immer. 
In solch harter Prüfung kam der 2. Juni heran. Da hatte 
die Bedauernswerte einen gar seltsamen Traum. Eine einzig 
schöne, von Lichterglanz umflossene Erscheinung, in welcher die 
arme Kranke die hl. Jungfrau zu erkennen glaubte, bedeutete ihr, 
sie solle in den nahen Wald gehen. Bei dem gipfellosen ge 
brochenen Baum, den sie dort finden werde, möge sie vertrauens 
voll graben. Mit dem hervorsprudelnden Wasser solle sie ihre 
kranken Augen waschen. — In der folgenden Nacht wiederholte 
sich dieselbe Erscheinung. 
Von Hoffnung getragen, ließ sich die arme Frau von einem 
Hausgenossen in den bezeichneten angrenzenden Wald führen — 
und richtig! Da steht der oben abgebrochene Baum; hier soll sie 
ja graben. Währenddessen fleht die Kranke inständig zur seligsten 
Jungfrau, dem „Heil der Kranken", die schon so vielen geholfen 
hat. — 
Und sieh! Da rieselt auch schon ein Wässerlein, sie wäscht die 
kranken Augen und — o Wunder! Träumt sie oder ist's Wahr 
heit? Es weicht die dunkle Nacht, der schwarze Vorhang schiebt 
sich weg und sonnenheller Tag wird's vor ihren Augen. Sie ist 
geheilt! 
„Das ist der Herr, der Gewährung nickt 
Dem Kinde, das gläubig auswärts blickt." 
Die Kunde von der Erscheinung der Gottesmutter und der 
wunderbaren plötzlichen Heilung drang von Ort zu Ort, von
	        
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