Volltext: Vor Pest, Hungersnot und Krieg verschone uns, o Herr! (3. Heft / 1920)

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das; er im Zimmer einen Teil des Lagerstrohs wirklich in Brand fetzte. 
Der Hauswirt, 'darüber entrüstet, packt den Frevler, wirfr ihn auf die bren 
nende Statte, erstickt damit den Brand, »und gerbt den Burschen tüchtig durch. 
Der Offizier, der dieses erfährt, billigt all dieses nicht nur vollkommen, 
sondern äußert auch sein Bedauern über die verübten Erpressungen seines 
Dieners. 
Die Schöffleute waren viel oben auf hem Totenberg» wo die kaiserlichen 
Kanonen standen und schauten hinüber zu den Franzosen, die in der Gegend 
des nunmehrigen Laufener Bahnhofes standen. Beim ersten Kanonenschuß 
liefen alle Zivilisten heim und Weib und Kind flohen mit dein Nötigsten 
in den nahen Hackenwald bei Maria Bühel, um sich dort zu verstecken. 
Der alte Egyd Stand!, wph'l schon 80 Fahre alt, blieb im Häuschen zurück 
und betete den Rosenkranz. Die alte Großmutter» welche den Großvater 
nicht allem lassen wollte, kniete in der Mitte ihrer Stube vor dem Haus 
altar und betete. Plötzlich ein fürchterlicher Schlag! Das Häuschen scheint 
einzustürzen! Ein großes Loch ist im Häuschen, die Küchenmauer durch 
schlagen und eine Grube im Felsen. Eine sechspfündige Kanonenkugel ist 
da abgeprallt und mitten ins Zimmerchen zurückgerollt und der Aehnl faß 
im Lehnstuhl und betete, als wäre Nichts geschehen. 
- Mit Kolbenstoßen sah man jetzt Schöffleute aus dem Stadttor zur 
Sc.lzach bringen, wo schnell eine Schiffbrücke aus ein paar dahängenden 
Plätten zusammengemacht wurde und die Franzosen mit Fußtritten und Ge 
wehrkolben die armen Schiffer zur Arbeit zwangen. Bei jedem Schiffer drei 
Mann mit Gewehr im Anschlag und aufgezogenem Hahn, wurde die Schiff 
brücke errichtet und die Franzosen über den Fluß gebracht. Die ersten Ab 
teilungen marschierten unter großem Geschrei auf der Braunauer Straße den 
abziehenden Oester reichern nach. Die massenhaft Nachkommenden plünder 
ten die Häuser. An die Haustür! wurde gestoßen, daß der Schließhaken da- 
vonfprang und unter Schimpfen und Lachen stampften, schwere Tritte ins 
Zimmer herein, Kasten und Schubladen wurden aufgerissen und alles durch 
sucht. Hemden und Unterhosen war alles, was für sie Wert zu haben schien, 
alles warfen sie mitten ins Zimmer. Die Betten wurden mit dem Sabel 
bearbeitet, ob nicht irgend ein Gegenstand oder gar Geld versteckt wäre. 
Dann giugs an die Strohsäcke, ohne sich um die bittende und weinende Frau 
zu kümmern, welche sie beständig beschimpften und verlachten. 
Drei Franzosen und ein Elsaß er plünderten das Stübchen des alten 
Aehnl. „Geld her, alter Hund!" Immer wieder hörte die Großmutter diese 
Werte hinauf. Die zwei Franzosen, welche bei der Großmutter waren, 
riefen den dreien etwas zu und gingen dann lachend hinaus. Stöhnend 
hörte sie vom Aehnl die Worte: „Herr, Herr, wir ham gar nix!" Dann unter 
Lachen und Fluchen ein leises Wimmern, ein unterdrückter Aufschrei und ein 
dumpfer Fall, dann stürmten die rohen Gesellen zur Türe hinaus. Dann war 
alles still. Die Großmutter faßte sich, nahm ihre ganze Kraft zusammen 
und ging die Treppe hinunter. Die Türe war offen. Der alte Aehnl lag 
blutend samt seinem Lehnstuhl am Boden. Blut trat aus dem Mundei. 
Ganze Stücke Bart hatten sie dem »alten Mann samt! dev Haut abgerissen 
und die Stiefel abgezogen. Das Was'serschaff in der Küche hatten sie zer 
schlagen »ulnd das Wasser rttnn in der Stube herum. Die Großmutter be 
mühte sich nuln, den Alten hin zum zerrissenen Strohsack zu ziehen. Her 
nach tnitq man den Aehnl ins 'obere Stübl und langsam kam er wieder zu 
sich. Fm Flüsterton erzählte der alte Großvater, was ihm alles begegnet fei. 
Der auf dem Platze befindliche Soldatenhaufen unterhält ein ausnehmen 
des Lärmen. Mattn für Mann versieht sich mit einem Lichte. Säbel und 
Bajonette klirren, es bricht ein entsetzliches Tosen und Schreien unter diesem 
Militär aus, und in einem Augenblick rennt alles in wilden Gruppen zu 
6, 10, '20—30 Mann auseinander und auf die umstehenden Häufet los. Man 
stößt die Haustüren entzwei und in Nr. 109 Und 111, wo diese zu fest ver 
rammelt sind, stürmen Soldaten auf herbeigeholten Feuerleitern durch die 
Fenster des zweiten Geschosses in die Stuben der erschrockenen Einwohner. 
Eine neue Plünderung bricht los. Männer» Weiber und Kinder jam
	        
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