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bet die Aufgabe zufällt, das Jnlandgetreide im Wege der landwirtschaft
lichen Genossenschaften und der Mühlen zu einem Preise aufzukaufen, der
den Produktionskosten entspricht. Da Oesterreich gegenwärtig noch weniger
Mehlgetreide erzeugt als verbraucht wird, so sind die fehlenden Mengen
aus dem Auslande zollfrei einzuführen. Die Hauptstelle ermittelt sodann
unter Berücksichtigung des inländischen und des ausländischen Preises einen
Mischpreis, zu dem die Ware an den Konsumenten abgegeben wird. Auf
diese Art wird erreicht, daß unserem Getreidebau der Absatz gesichert ist und
daß unsere Industrie eine Handhabe zur Begünstigung ihrer Einfuhr in jene
Staaten hat, aus denen wir das Auslandgetreide beziehen (Kontingent
vertrag!). Der Uebernahmspreis für das inländische Getreide wird all
jährlich auf Grund der Produktionskosten errechnet. Der Bauer ist n i ch t
verpflichtet, sein Getreide abzuliefern, er kann es verwenden, wie er will.
Die Hauptstelle soll also nicht wieder eine Zwangsbewirtschaftung des
Getreides herbeiführen, sondern lediglich dem Bauer selbst die heute feh
lende Absatzmöglichkeit bieten.
Die Bestimmungen über die Getreideübernahme werden durch Be
stimmungen über die Futterpreise und Kleiepreise ergänzt.
Die Vieh- und Schweinezucht.
Im Jahre 1928 wurden auf den St. Marxer Biehmarkt in Wien
148.752 Rinder aufgetrieben, hievon 80 Prozent aus dem Auslande,
20 Prozent aus dem Anlande; im Jahre 1929 betrug der Auftrieb
144.161 Rinder, davon 68 Prozent aus dem Auslande, 32 Prozent aus
dem Inlande. Die Gesamteinfuhr nach Oesterreich an Rindern betrug im
Jahre 1929 104.977 Rinder. Hievon entfielen 93 Prozent auf den
St. Marxer Markt. Oesterreich zahlte 1928 102 Millionen Schilling,
1929 86 Millionen Schilling an das Ausland für den Bezug lebenden
Schlachtviehes. Diese Zahlen (ganz ähnlich stehen die Verhältnisse bei der
Einfuhr geschlachteten Viehes und bei der Schweineeinfuhr) sollen zweierlei
beweisen: einmal, wie gewaltig der Viehimport nach Oesterreich ist, zwei
tens, daß die Schlüsselstellung, um den Markt für die Jnlandproduktion
zu erobern, in St. Marx liegt. Den Schlachtviehmarkt in St. Marx nun
beherrschen einige wenige Kommissionäre, die durch Drosselung der aus
ländischen Zufuhr, oder durch Ueberflutung des Marktes mit Auslands
ware den Preis nach ihrem Belieben regeln. Nichts könnte unsere sinnlose
Wirtschafstpolitik besser kennzeichnen, als diese Zustände, als die Tatsache,
daß eine Handvoll landfremder Kommissionäre das Schicksal der ganzen
österreichischen Viehzucht, das Schicksal tausender und tausender von
Bauern in der Hand hält und jederzeit in der Lage ist, viele tausende von
Bauernfamilien zugrunde zu richten. Aber nicht nur das Schicksal des
Produzenten beherrschen diese Händler, sondern auch die Lebenshaltung des
Konsumenten, den sie durch eine übermäßige Spannung zwischen dem
Lebendgewicht-Preis und den Fleischpreis besteuern.
Wir fordern, daß der St. Marxer Markt einer parteipolitisch un
abhängigen Absatzorganisation überantwortet wird, die aus Vertretern der