Gr. Geyer, Touren von Ranisau.
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man gleich oben die steile Nordwand betreten und fortwährend über
hohe Terrassen klettern, zwischen welchen nur schmale, mit lockerem
Geröll bedeckte Absätze Ruhepunkte bieten. Namentlich in dem
obersten Theil ist eine böse Wand, welche die Anwendung des Seils
erheischt. Ist das im Kar am weitesten heraufreichende Schneefeld,
nach 2—3stündiger Kletterei, erreicht, so bringt flottes Abfahren
rasch auf den Gletscher hinab. Staunend sehen wir nun, bequem östl.
über den Gletscher hinabtrollend, zurück auf die wilden Schroffen der
Nordwand, kaum vermögen wir noch unseren Weg zu erkennen.
In 20 Min. sind wir an der Moräne, knapp am Fuss einer aben
teuerlichen Felszacke im Ostgrat des Koppenkarstein. Im Rück
blick schliessen die steilen Firnfelder des Schladminger Gletschers
mit den bleichen Mauern des Gjaidstein das Bild, während im 0. die
öde Fläche des „Stein“ sich endlos ausbreitet.
In grossem Bogen wandern wir nun um den Ostfuss des Koppen
karstein. Bald über nackten* Felsboden, bald über Schutt, bald über
vereinzelte Rasenflecke, gelangt man in das Koppenkar, dessen nörd
liche Lehne in westlicher Richtung durchquert wird. Nach dieser Seite
fällt der Koppenkarstein in völlig unzugänglichen Mauern auf die
Geröllhalden ab. Kaum ein Riss, geschweige denn Schluchten oder
Vorsprünge sind in der glatten Wand zu sehen.
Nach iy a St. wieder bei der Edelgries-Höhe angelangt, kehren
wir durch die Edelgries-Schlucht nach Ramsau zurück; liegt noch
Schnee, so kann man fast durch geh ends^ abfahren und leicht schon
nach 1 St. im Schutzhaus eintreffen.
24. Die Sckeichenspitze 2662 in.
Weitaus atn leichtesten von allen höheren Gipfeln zu besteigen,
bietet die Scheichenspitze doch ein Panorama, das sich von den
übrigen nur wenig unterscheidet. Daher mag diese Tour besonders
minder geübten Touristen empfohlen werden, welche auf fast bequem
zu nennenden Pfaden doch in das Herz der Hochgebirgswelt ein-
dringen und den Blick über endlose Fernen schweifen lassen
können.
Wir wählen als Ausgangspunkt St. Rupprecht am Kulm, steigen
durch das Feisterkar an und nehmen den Abstieg durch das Edelgries
zur Austria-Hütte.
Wohlgepflegte Fusswege führen vom Kulmwirthshaus nördlich
zum Gehöfte des Feisterbauern am unteren Ende der Schlucht, welche
in ihren tieferen Theilen dicht bewaldet, höher hinan in mächtigen
Schutthängen und Felsterrassen zur Scharte zwischen Eselstein und
Sinewell emporzieht.
Der erste Anstieg durch den Wald gestaltet sich auf breitem
und nur sanft ansteigendem Weg äusserst bequem. Wenn jedoch