Volltext: Die Dachstein-Gruppe

G. Geyer, Touren von Obertraun. 
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nehmes zweigespaltenes Horn die Spitze aufstrebt. Minder schön 
präsentirt sich das Hohe Kreuz; kennte man nicht die Steilheit seiner 
Wände, man würde meinen, es sei spielend zu ersteigen, so flach, 
rund und unbedeutend sind seine Contouren. 
In prächtigen Wellenlinien senkt sich zwischen uns und dem 
Hohen Kreuz der Hallstätter Gletscher hinab. Knapp am Fusse des 
Gjaidstein scheint er über eine vorstehende Felsklippe sich zu wälzen, 
denn treppenförmig gebrochen zeigt sich das Eis, und blaue Schlünde 
gähnen zahlreich genug zu uns herauf. 
Gegen 0. liegt tief unter uns die Wüste des „Stein“, eine ab 
schreckend öde Landschaft, grau in grau, ohneFormen und Abwechslung. 
Wohlthuend berührt dagegen das Auge der Blick hinab in den Kessel 
von Altaussee. 
Vom Hohen Gjaidstein gelangt man über einen südlich vor 
geschobenen Grat in % St. auf das Firnfeld und kann einerseits durch 
die Hunerkogel-Scharte und die Schwadering nach Bamsau, anderer 
seits über den Hallstätter Gletscher und die Simony-Hütte nach Hall 
statt absteigen. Wir wollen jedoch auf einem dritten Wege zurGjaid- 
alpe zurück und steigen über die oberste Gipfelterrasse und densteilen 
Abhang ins Gjaidkar ab. In früher Jahreszeit ermöglichen steile 
Schneefelder flottes Abfahren, im Spätsommer aber ziehen rauhe 
Trümmerhalden bis in den Boden des Kars, durch welches man fast 
eben hinausschreitet. Nach Ueberwindung einer niedrigen durch den 
Gletscher glatt polirten Wand betreten wir das am Band mit feinem 
Schutt bedeckte Eis undbald darauf die ebene Endzunge des Hallstätter 
Gletschers. Eine Stunde genügt, um von der Spitze den Gletscher zu 
erreichen, welcher immer schmäler werdend, noch eine Viertelstunde 
weit hinabzieht bis zur schwach ausgeprägten Bandmoräne. Gegen S. 
sieht man die Endzunge in unmerklicher Neigung einige hundert Meter 
ansteigen. dann wölbt sich das graublaue Eis steil empor zur nächst 
höheren Gletscherterrasse, dem Karlseisfeld, und verdeckt den Anblick 
der weiten Firnfelder unter dem Hauptkamm, nur die höchsten Zinnen 
der Gruppe ragen drohend über den hohen Eisrand. Die Endzunge 
zeigt alle charakteristischen Erscheinungen der Gletscher, nur Gletscher 
tische sind sehr rudimentär vertreten. Kegelförmige, mit Sand bedeckte 
Hügel, zahlreiche Mühlen und Tümpel erregen das Interesse des 
Beobachtenden. Eine trübe, gelbgraue Lache bedeckt das untere Ende 
der Zunge, je nach den Abschmelzungsverhältnissen verschieden aus 
gedehnt. 
Nachdem wir den Querriegel hinter dem Gletscher überstiegen, 
geht es den Dauben nach über ein Terrain, welches deutlich die 
Wirkungen ehemaliger Eisbedeckung zeigt, allmälig hinab in die 
weite grüne Mulde des Taubenkars,*) in welches die majestätische 
*) Oft hört man von den Bewohnern der umliegenden Alpen „Tauernkar ‘.
	        
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