G. Geyer, Touren von Obertraun.
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Das beigegebene Panorama (Tafel 11, 12*) spricht genug für
die eminente Bedeutung dieses bekanntlich auch von Aussee und vom
Pötschenjoch aus zu erreichenden Gipfels.
2. Krippenstein und Gjaidalpe.
Vom Bahnhof Obertraun etwa 10 Min. auf der Strasse gegen
0., dann über die Bahn und quer über den moosigen Thalgrund dem
Fusse des Gebirges zuschreitend, übersetzt man nach V 4 Stunde auf
der Köhlerbrücke die Traun und betritt den Wald. Ein schlechter
Fahrweg leitet am Ufer des Miesbachs SO.; nach einigen hundert
Schritten zweigt unter rechtem Winkel steil südl. ansteigend, ein
Fussweg ab, der in einer schwachen halben Stunde an denFuss einer
Blosse bringt. Wieder durch hochstämmigen Forst, dessen Boden
bereits überall von den abenteuerlichen Auswaschungsformen des
Kalks durchbrochen ist, geht es rasch in die Höhe, bis eine kleine
muldenartige Terrasse das Gehänge unterbricht; der Steig umgeht
nun östlich den Bücken und zieht in den Boden einer Schlucht, um
in Serpentinen anzusteigen, bis kleine Basenflecke zwischen den zer
zausten Wetterfichten die Nähe der Alpe künden. 2 1 /? Stunden nach
Verlassen des Thalbodens hat man die rings vom Wald umschlossenen
Hütten der Niederen Schafeckalpe 1200 m erreicht.
Im W. tritt der Schafeckkogel 1256 m gegen N. vor. Diesem
Bücken zustrebend, wendet man sich, nachdem seine Höhe erreicht
ist, direct nach S. und erreicht in 20 Min. die halbzerfallenen Hütten
der Oberen Schafeckalpe 1350 m. Der Pfad zieht nun am Ostrand
der Mulde auf einen Bücken, wo plötzlich die nackte, in senkrechten
Plattenwänden auf wüste Geröllfelder und Karrenflächen abstürzende
Felswand des Krippenstein erscheint. Hügelwellen und schwarz-grüne
Klumpen von Lecken**) unterbrechen das fahle Weissgrau der ge
furchten Platten. Noch geht es ein Stück über den breiten Bücken,
von welchem sich schon der Blick in die schwindelnde Tiefe des
Hallstätter Sees erschliesst, dann in eine nach S. ziehende Schlucht
am Fusse des Krippenstein.
Hier blinkt aus einer kleinen Felshöhlung, ein wahrer Schatz fin
den Wanderer in der wasserarmen Wildniss, der klare Spiegel des
Krippenbrunns, ca. 1550 m.
Der Steig, reichlich gekennzeichnet durch Dauben, zieht nun
am Boden der Schlucht gegen S., bald über üppige Basenflecke, balcL
über die klippigen und zackigen Erosionsmuscheln der Karrenfelder
fast eben dahin; links thürmen sich die Biesenwände des Krippenstein
auf, rechts die monotonen Karren- und Krummholzhänge des
*) Das Erkennungsschema ist (Tafel 11.) zugleich für den Handgebrauch auf
der Reise bestimmt. Die Red.
**.) Landesüblicher Ausdruck für Krummholz.
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