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Gegen Mitternacht griffen die Russen an der ganzen Front die
Stellung des Regiments an und brachen in der Stärke von etwa 150
bis 200 Mann bei der in der ersten Linie stehenden 16. Kompanie
durch. Die sich ihnen aus der zweiten Linie entgegenwerfende 14.
und 15. Kompanie wurde zum großen Teile gefangengenommen,
zum Teile zersprengt. Mit diesen Kompanien schien auch der Batail
lonskommandant in Gefangenschaft geraten zu sein. Erschwerend in
dieser Lage war der Umstand, daß der einzige Steg über den Bug
bei Ciel^z von russischer Artillerie zerstört, der Bug selbst durch
Stacheldraht undurchwatbar gemacht war. Das ganze Gelände war
vom Feinde eingesehen und konnte nur bei Nacht durchschritten
werden. Jede Verständigung mit dem Vorgesetzten Kommando war
durch Zerstörung der Telephonlinien unmöglich geworden.
Die von den Russen durch den Zuruf: ,,31 er Feuer einstellen!"
versuchte Irreführung war von Neusser rechtzeitig erkannt worden.
In dieser äußerst kritischen, die Stellungen aller Teile des Regi
ments östlich des Bug gefährdenden Lage ergriff Hptm. Neusser —
durch die in seinem Rücken eingedrungenen Russen von seiner Ab
teilung abgeschnitten — aus eigener Initiative den Befehl über die
restlichen Teile der in erster Linie befindlichen Gruppe; er brachte
zunächst die bereits weichenden vorderen Linien durch sein Ein
greifen zum Stehen und riegelte sodann nach persönlicher, in der
finsteren, regnerischen Nacht sehr erschwerten Aufklärung die
Durchbruchstelle durch die Heranziehung und Aufschwenkung sei
ner Kompanie ab. Mit dieser und mit zusammengezogenen Ver
sprengten führte Neusser schließlich um 2 Uhr im Vereine mit der
in der zweiten Linie gestandenen 11. Kompanie einen Gegenstoß
gegen die eingedrungenen Russen aus, nahm diese trotz heftigster
Gegenwehr in der Stärke von 2 Offizieren und 89 Mann gefangen
und befreite dadurch auch die bereits verlorengeglaubten Teile der
14. und 16. Kompanie. Dadurch wurde die alte Front wiederherge
stellt.
Es muß hierbei erwähnt werden, daß die durch vorhergegangene
schwere Gefechte arg mitgenommenen Truppen beim Durchbruch
der Russen in dem sehr unübersichtlichen Gelände völlig ihren Halt
verloren hatten, sodaß es der äußersten Energie und Kaltblütigkeit
des Hptm. Neusser bedurfte, um der kritischen Lage Herr zu werden.
Durch die Behauptung der Stellung am rechten Bugufer konnten
in weiterer Folge die anderen Truppen der 46. LID. über den
Fluß gebracht werden. Am 18. Juli wurde dann der Angriff gegen die
östlich des Bug gelegenen Höhen bei den Ortschaften Walawka und
Ilkowice mit Erfolg durchgeführt, die Russen zurückgetrieben und
es der südlich angreifenden 13. LID. ermöglicht, Sokal selbst zu
nehmen.