Volltext: Die Stiftungsurkunde des Klosters Kremsmünster

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IV. Untersuchung des Formulars 
Nachdem wir die handschriftliche Überlieferung der Urkunde 
besprpchen und die überlieferten Texte miteinander in Verbindung 
gebracht haben, müssen wir den Text als solchen prüfen, die Ur¬ 
kunde nach Inhalt und Form einer genauen Untersuchung unter¬ 
ziehen. Ist der Stiftbrief, wie er uns vorliegt, wirklich das, wofür er 
sich ausgibt: das von Herzog Tassilo III. selbst ausgestellte Zeugnis 
für die Gründung und Dotierung des Klosters? Und ist die Stiftung 
tatsächlich so erfolgt, wie sie uns die Urkunde darstellt? 
Wir untersuchen zuerst die formellen Eigenschaften des Stift¬ 
briefes, jene Merkmale, die ihn als Urkunde, als gewolltes rechtliches 
Zeugnis charakterisieren. Die äußeren Merkmale, die der Urschrift 
allein anhaften, entziehen sich unserer Kenntnis, die inneren Merk¬ 
male aber, die die logische Gestaltung und den formalen Aufbau der 
Urkunde kennzeichnen, sind aus den Abschriften so gut wie aus 
dem Original zu erkennen. Betrachten wir die Urkunde zunächst als 
ein logisches Ganzes, so haben wir uns in erster Linie mit der Fassung 
und Sprache des Stiftbriefes zu beschäftigen. 
A. Fassung und Sprache der Urkunde 
Ein rein äußerliches Merkmal, durch das sich der Stiftbrief von 
allen anderen Agilulfinger Urkunden unterscheidet, ist seine un¬ 
gewöhnliche Länge. Mir ist kein einziges Urkundenstück aus der 
Agilulfingerzeit bekannt, das dem Stiftbrief an Umfang auch nur an¬ 
nähernd gleichkäme. Doch sind zur Erklärung dieser Erscheinung 
folgende zwei Umstände wohl zu beachten. Fürs erste ergibt sich 
aus dem Inhalt der Urkunde, daß das Kloster ungewöhnlich reich 
dotiert worden ist. Seine Besitzungen und Ländereien, die sich über 
den ganzen Traungau hin erstrecken, sind im Stiftbrief detailliert, 
einige sogar mit genauer Grenzangabe und Nennung der Vermarkungs¬ 
boten angeführt. Fürs zweite schließen wir aus der reichen Dotation 
des Stiftes — die Urkunde legt dem Herzog die Worte tradidi qiiod 
potui in den Mund und aus der Zahl und dem Stand der am 
Stiftungsakt beteiligten Persönlichkeiten, daß man der Stiftung eine 
ungewöhnliche Bedeutung, einen besonderen Wert beilegte. Diese 
Einschätzung war auch — wir werden noch mehrmals darauf zu 
sprechen kommen maßgebend für die Form der Beurkundung.
	        
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