Volltext: Einst und Jetzt [1] ; ([1] ; 1827)

des Harem gelegene Köschk von Erivan und das Jall 
Köschk besonderer Erwähnung. Das Erste zeichnet sich 
durch eine ungemeine Verschwendung des angebrachten Gol- 
des aus, und in dem Zweiten ist der von Mahmud I. 
1747 im größten Glänze hergerichtete Thron von massivem 
Silber, wozu 14,000 Drachmen des reinsten Silbers ver- 
wendet wurden. Siebeil Ellen ins Gevierte hat die Platte 
dieses Silberthrones, welcher nach den Worten, des osmani- 
schen Reichshistoriographen Jsi den Glänz der altpersischen 
Throne von Keikawus und Keikubad verdunkelt, und vor¬ 
dem der mongolische (jetzt neupersische) Pfauenthron sich aus 
Scham, wie der Pfau seine Füße, verbirgt. 
Die Schatzkammer besteht aus vier Abtheilungen: 
in der ersten werden die kostbaren mit Edelsteinen besetzten 
Waffen, in der zweiten die Kleider und Stoffe, in der 
dritten die Sättel, Reitzeuge, Uhren und ungefaßte Jnwe- 
len, und in der vierten das bare Gold und Silber gemünzt 
und ungemünzt aufbewahrt. 
Die Bibliothek enthält eine Menge türkischer, per- 
sischer und arabischer Handschriften, welche in drei Sälen 
aufgestellt sind; jedoch soll noch eine unermeßliche Menge 
Bücher in lateinischer, griechischer und andern Sprachen, 
jedoch in der Schatzkammer, in großen Kisten eingepackt, 
aufbewahrt werden. Vielleicht ruhen also diese literarischen 
Schätze, nach welchen sich unsere Philologen sehnen, noch 
auf dem Platze, wo sie zu Taverniers Zeiten waren, 
und wer mag hoffen, daß sie zugänglich werden , da Aber- ! 
glaube, Vorurtheil und Argwohn der Osmanen noch in 
dieser Stunde das Palladium des Reichs gefährdet wähnen, 
wenn ein Ungläubiger in dieses Heiligtbum des kaiserlichen 
Pallastes dringen sollte. Sonder Zweifel mag daher in der 
Bibliothek des Serails noch mancher Fund für unsere Phi¬ 
lologen zu machen sein. Toderini erfuhr ja auf seine Er- 
kundigung durch den venezianischen Dragoman: »daß grie- 
chische, lateinische und syrische Bücher vorhanden seien, und 
daß man darunter einige von Jerusalem bekommen haben 
^soll." —Norberg berichtet, „sein türkischer Sprachmeister habe 
ihm erzählt, daß er ein Buch, betitelt L a w j u ö*), gesehen." 
Das Harem theilt sich in das Winter-, Herbst- und 
Frühliygsharem und wird von 3oo Personen weiblichen Ge¬ 
schlechtes bewohnt. In diesem eigentlichen Harem ist, außer 
Ärzten, kein europäischer Reisender vorgedrungen. Einer 
von ihnen beschreibt es folgender Maßen: »Mehrere Stock- 
*) Wenn man Livins mit arabischen Buchstaben schreibt, so sind 
es fast dieselben—und gerade auf einen vollständigen Coder des 
Livius sind die sanguinischen Hoffnungen der Philologen gerich- 
let gewesen! 
werke hölzerner Arkaden, zum Theil offen, zum Theil mit 
grünen Gittern verschlossen, liefen auf allen vier Seiten 
eines Gebäudes umher, das einem Klosterhose ähnlich sah. 
Durch eine halb offene Thüre trat ich in das Erdgeschoß. 
Eine Gallerie mit doppelten Reihen von Schränken für die 
Habseligkeiten der unglücklichen Bewohnerinnen dieser Hal- 
len, that sich vor mir auf. Ottomanen verengten den Weg 
bis auf sechs Fuß Breite, und in diesem Räume lebten nach 
der Anzahl der Schränke zu schließen, über 3ao Frauen aus 
allen Nazionen. Ich durchging mehrere Prunkzimmer der 
Kadinnen, die indeß nichts Ausgezeichnetes als einige im¬ 
posante Porzellanvasen, schöne Spiegel und große, geschmack- 
lose Lüstres enthielten, kam dann in den Hof hinab und 
langte über eine elende hölzerne Gallerie in die Gärten des 
Sultans. 
Zuerst besah ich den Köschk (Jeni - Köschk) des Groß- 
Herrn, den man den neuen Pavillon nennt. Auf drei Mar- 
morstufen erhob sich das zeltförmige Gebäude, dessen Ele- 
ganz und Zierlichkeit es unstreitig zum reizendsten Aufent- 
halt im ganzen Umfange dieses wirren Pallastes erhebt. 
Hier sieht man Käfiche mit künstlichen Singvögeln, prachl- 
volle Spiegel, Kristallleuchter, Blumenstöcke von Mosaik, 
gemalte Architektur und Sophas mit modisch gedruckter 
Leinwand. Doch wie berührt von einem magischen Stabe 
stand ich da, als ich durch eine der hohen Fensteröffnun- 
gen den Blick hinaus in die.freie Natur warf. Welch 
ein Anblick l Welches bun te Gewühle von Barken und 
Schiffen auf dem schönsten der Meere! Welche Luft! Welche 
Scene auf der gegenüberliegenden Küste Asiens! Das Auge 
schwelgte in Entzücken und Wonne. 
Nach dem Genüsse dieses Anblickes schien mir alles übrige 
um mich her, diese Gartenanlagen, diese Springbrunnen, 
diese mit Porzellan gepflasterten Wege, diese Hyacinthen- 
gärten, diese Vogelhauser, diese Marmorbassins, diese Treibhäu- 
ser, ja selbst diese 6oFuß hohe corinthische Marmorsäule des A r- 
k a d i U s mit der Inschrift: Fortuna« reduci ob devictosGo- 
thos (dem durch die Besiegung der Gothen zurückgekehrten 
Glücke) nur kleine und ärmliche Spielerei; und das Harem, die 
Wohnung der Prinzen von Geblüt*), die Wohnungen der 
Nachrichter, das Mittelthor, der famöse Mörser und die 
kaiserliche hohe Pforte riefen mir unablässig zu: 
»Ein weiter Kerker ist es, kein Pallast/' 
* * * 
*) Bekanntlich bleiben die Prinzen von Geblüt bis zur Thronbe¬ 
steigung in diesem Gebäude eingesperrt, und treten nur aus 
demselben hervor , um das Schwert des Sultans umzugürten»
	        
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