Volltext: Einst und Jetzt [1] ; ([1] ; 1827)

laß sie sich ganz nach ihrem Verlangen benehmen. Mittelst 
einer eigenen Pfeiffe und besonderer aus ihr hervorgebrachter 
Töne wissen sie die Schlangen aus ihren verborgensten Schlupf¬ 
winkeln und aus der bedeutendsten Entfernung herbei zu locken; 
UM sich gegen ihren gütigen Biß zu sichern, bestreichen sie ihren 
$*ei& mit dem Safte eines gewissen Krautes, welches den 
Schlangen im höchsten Grade widrig und nachtheilig ist und 
ihren ganzen Naturzustand beinahe ganzlich zu verandern und 
vollkommen umzustalten scheint. Ist die Schlange von der Art 
derjenigen, deren Biß tödllich ist, denn sie haben zwey beweg- 
liche hohle Zahne, hinter welchen sich Giftblasen befinden, aus 
denen tödtendes Gift in die gebissene Wunde eindringt, so hal 
ten sie ihr einen rothen Lappen vor, in welchem sie sich verbeißt, 
sodann werden ihr die Zahne sammt den hinter ihnen stehen- 
den Giftbehaltnissen ausgebrochen, und so sind sie dann zur voll¬ 
ständigen Zähmung geeignet. Diese Zahmmachung gränzt bei- 
nahe an das Unglaubliche. Reisende führen, von ihnen selbst ge- 
sehene, Beispiele an, daß Riesen- und Klapperschlangen und 
auch die allergefährlichsten malabarischen Schlangen Rud hira- 
mandali's auf das Äußerste gezähmt und zur Erlernung und 
Ausübung, sogar von Kunststücken, abgerichtet wurden, zu wel- 
chen man oft selbst nicht die zahmsten und gelehrigsten Haus¬ 
siere zu bringen vermag. Die kleineren von ihnen werden 
von Frauenzimmern, um sich durch sie abzukühlen, am blossen 
Busen getragen und Kinder geben sich ohne alle Gefahr mit 
ihnen, wie mit einem Spielzeuge, ab. Der Gaukler, als ihr 
Bezahmer und Herr, hält ihnen einen Stock vor, um welchen 
sie sich-in engen Ringen winden; auf seinen Befehl tanzen sie 
nach dem Schalle einer Pfeiffe in regelmäßigen , vollständig ein- 
gelernten Sprüngen, eine Art von Tanz mit straff in die Höhe 
gerichteten Köpfen und beobachten dabei ihren Herrn, ob er mit 
ihren Leistungen zufrieden sei. 
Die Schhgngenbeschwörerinnen in Surinam verstehen die 
Kunst, die bei ihnen beliebten Papuschlangen von den Bäu- 
men herab zu locken; sie winden sich dann um ihren Hals, 
Arm und Brust und werden im höchsten Grade zuthunlich und 
einschmeichelnd. 
Ein französischer Kaufmann erzählt folgendes merkwürdige 
Ereigniß, welches sich ihm bei Gelegenheit seiner Reisen in 
j Nordamerika zugetragen hat. Ein Indier von der Völkerschaft 
der Menomonier machte eine Klapperschlange so zahm, daß er 
sie in einer Schachtel überall mit sich herum trug; er verehrte 
sie als eine Gottheit und nannte sie seinen großen Vater. Ver- 
schiedene Sommer tru^> er seine Schlange in der Schachtel he¬ 
rum und ließ um Geld ihre Künste sehen. Im Herbste, bei 
Gelegenheit einer Jagd, wunderte sich der Kaufmann nicht we- 
Mg, daß er den Indier auf einem freien Platz im Walde antraf, 
der die Schachtel auf den Boden niedersetzte, sie öffnete und die 
Schlange mit dem Befehle heraus ließ, sie soll im nächsten 
Frühjahre sich wieder hier einstellen. Der Handelsmann lachte 
über des Jndiers Einfalt und sagte: er werde wohl umsonst 
auf die Zurückkunft seines großen Vaters warten. Allein der 
Indier war in seinem Vertrauen zur Schlange so stark, daß 
er acht Maß Rhum darauf wettete, wenn nicht sein großer Va- 
ter zu der bestimmten Zeit wieder kommen und in seine Schach¬ 
tel kriechen würde. Die Wette wurde angenommen und der 
Anfang des Frühlings festgesetzt. Als die Zeit ankam , ging der 
Kaufmann mit dem Indier hin. Dieser setzte seine Schachtet 
auf die Erde und rief seinen großen Vater lang und oft; er 
hörte und kam aber nicht. Da also die Zeit vorbei war, so 
gestand er zwar ein, daß er die Wette verloren habe, erboth 
sich aber zugleich, solche doppelt zu bezahlen, wenn sein großer 
Vater in zween Tage nicht zurück käme. Auch dieses ward an- 
genommen, und den zweiten Tag kam die Schlange wirklich 
zurück und kroch von selbst wieder in die Schachtel. 
Aber im ungezähmten natürlichen Zustand sind die Kräfte 
und die Kämpfe dieser Ungeheuer ganz erstaunlich groß. Die 
Erlegung eines Tiegers durch eine Riesenschlange, auch Königs- 
schlänge, Abgottsschlange, Loa constrictor genannt, beschreibt 
uns der Engländer Edwyn, der solche in Ceylon selbst beobachtete. 
Die Schlange in einer Länge von mehr als dreißig Fuß, und 
im Leibe dicker, als ein Mann, war mit ihrem Schweife um 
einen Palmbaum gewunden, und schoß auf einen vorbei schrei- 
tenden Tieger von ansehnlicher Größe mit solcher Gewalt und 
Geschicklichkeit herab, daß sie ihn mit ihrem Rachen beim Genick 
packte, ihn fürchterlich verfleischte, erwürgte, seinen Körper mit 
ihrem Schweife umgab, ihn gegen den Balun schleppte, auf- 
recht gegen denselben stellte, seinen Körper und den Baum mit 
ihrer ganzen Länge umwand, Rippen und Knochen mit großer 
Anstrengung brach, das Ganze mit einem gelben Speichel be- 
netzte, Anfangs den Kopf und nach und nach den ganzen Tieger 
mühesam verschlang, worauf die Zingalesen herbeieilten, die 
Schlange, welche ermüdet und unthätig dalag, mit Keulen todt 
schlugen, um ihr sehr weißes, dem Kalbe ähnliches Fleisch, 
welches für sie ein Leckerbissen ist, zu genießen. Indessen haben 
diese Ungeheuer, welche sich an die stärkesten und reißendsten 
Thiere wagen und sie jedesmahl besiegen , einen Feind, der 
ihnen an Kräften weit nachsteht, aber ihnen durch seine List und 
Gewandtheit um desto gefährlicher wird; dieß ist der Sekretär- 
vogel, auch Schlangenfresser genannt, weil er sich nur von 
ihrem Fleische oder von andern Amphybien und Insekten zu 
nähren pflegt. Dieser Vogel hat seinen Namen von einem im 
Nacken befindlichen Federbusch. An den Flügelgelenken hat der- 
selbe drei knochenartige Vorsprünge, die ihm als Waffen dienen, 
übrigens gehört er zu den größeren Raubvögeln und pflegt mei- 
stens in der Größe eines Adlers vorzukommen, von welchem 
er sich jedoch übrigens auf manche Art unterscheidet. 
Der berühmte Reisende du Vaillant beschreibt uns den An¬ 
griff eines Sekretärvogels auf eine Schlange 'und deren Ver- 
theidigung. Le Vaillant stieg einen Berg hinunter und sah 
unter sich einen solchen Sekretär, der bald in die Höhe flog, 
bald wieder schnell herunter schoß und mancherlei sonderbare Be¬ 
wegungen machte. Der Beobachter schlich sich unter dem 
Schutze einiger Felsen heran und sah , daß es einer Schlange
	        
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