Volltext: Richtlinien für die Agitation anläßlich der Landtagswahl im Jahre 1931

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Die Landwirtschaft. 
Der ganze Wahnwitz der kapitalistischen Produktionsordnung 
wird wie mit einem riesigen Scheinwerfer aufs grellste durch die 
Agrarkrise der ganzen Welt beleuchtet. Während die Lagerhäuser 
und Speicher vor Ueberfluß bersten, darben 20 Millionen Arbeitslose 
mit ihren Angehörigen. 
Die Weizenproduktion der Welt hat ganz gigantische Ueber- 
schlisse geliefert, und die Weltvorräte sind so hoch, daß in Fachkreisen 
die „Befürchtung" gehegt wird, es könnte der Weltüberschuß 
am 1. Juli sich „b e d e n k l i ch" der Zahl von 400 Millionen Bushs! 
(1 Bushel — 35.24 Liter) nähern, wie ein großkapitalistisches Blatt 
in seinem Jargon vor kurzem schrieb. 
Auch in unserem kleinen Oesterreich wütet die Krise, die sich in 
einem außerordentlichen Tiefstand der Getreidepreise manifestiert. 
100 Kilogramm Weizen kosteten 1924/25 an der Wiener Pro 
duktenbörse 47.53 8, 100 Kilogramm Roggen 44.36 8; heute, am 
Tage der Ausschreibung der oberösterreichischen Landtagswahlen, 
stellten sich die Preise für 100 Kilogramm Weizen auf 20.50 8 bis 
23.50 8, von 100 Kilogramm Roggen auf 20.50 8 bis 21.25 8. Die 
Produktion an Kartoffeln ist gestiegen, der Absatz gefunken, der 
Export von Rindern geht von Jahr zu Jahr zurück, auch der inländi 
sche Absatz ist flau. 
Durch eine vteuer auf Mehl, eine Steuer von 15 Groschen für 
fedes Kilogramm, sollte nach dem Plane unserer Antimarxisten die 
notleidende Landwirtschaft gerettet werden. Also durch eine Steuer, 
die antisozialer wirkt als jede andere, denn je ärmer einer ist, desto 
ausschließlicher muß er von Brot und Mehl leben, weil alle anderen 
Nahrungsmittel teurer sind. 
Alles Mehl, das inländische wie das vom Ausland eingeführte, 
das Brotmehl, das Kochmehl, sollte die Steuer von 15 Groschen für 
das Kilogramm treffen, Schrot- und Futtermehl für das Vieh sollte 
dagegen steuerfrei sein und daneben noch das Mehl, das Landwirte 
sich selbst mahlen lassen. Es hätte also der reichere Bauer, dessen 
Getreideernte hinreicht, seinen Eigenbedarf zu decken, keine Mehl- 
steuer bezahlen müssen, wohl aber der Kleinbauer, der Kleinpächter, 
der Gebirgsbauer, »der arme Keufchler, deren Ernte zur Deckung ihres 
Hausbedarfes nicht hinreicht und die deshalb Mehl zukaufen müssen. 
Zahlen hätten die Mehlsteuer alle Arbeitslosen, Alters- und 
Unfallsrentner müssen, das Geld hätten aber nicht etwa die armen 
Kleinbauern allein, sondern vor allem die Großbauern und Groß 
grundbesitzer erhalten. Da in Oesterreich 587.000 Hektar mit Brot 
getreide bebaut sind und die Steuer 90 Millionen Schilling tragen 
sollte, so wären auf den Hektar mehr als 150 8 entfallen. Ein Groß 
grundbesitzer, der auf 100 Hektar Brotgetreide baut, hätte somit 
eine Prämie von nicht weniger als 15.000 8 bekommen. Die Aristo-
	        
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