Volltext: Heldensage und Namengebung

Heldensage und Namengebung. Von K. Schiffmann. 199 
Vielmehr haben wir gesehen, daß der Name Dietrich, um 
bei diesem Beispiel zu bleiben, in allen Ständen, den geistlichen 
nicht ausgenommen, gut vertreten war. Für das 12. und 13. 
Jahrhundert sind die in den Klöstern vorkommenden Dietriche 
freilich vielfach auf die Beliebtheit dieses Namens in ritterlichen 
Kreisen zurückzuführen, weil ja in dieser Zeit die Mönche und 
Nonnen zu einem starken Prozentsatze aus dem Adelsstande waren, 
wie z. B. in dem Augustiner-Chorherrnstifte Ranishofen1) u. a. 
Aber wenn nun auch die Annahme, die Äbte hätten ihren 
Novizen aus religiösen Gründen gewisse Namen nicht beigelegt, 
sich als der tatsächlichen Grundlage entbehrend herausgestellt hat, 
bliebe noch die Möglichkeit offen, die Kirche oder die Geistlich¬ 
keit gewisser Länder habe gegen die aus der Heldensage stam¬ 
menden Namen gekämpft. Aber auch ein solcher Vorwurf, wie er 
seit dem 16. Jahrhundert der Kirche häufig gemacht wurde, be¬ 
steht vor den Tatsachen nicht. Frieß sagt ganz richtig2): 'Die 
abendländische Kirche hat niemals im Laufe des Mittelalters die 
Beilegung eines fremden Namens, dessen Träger in den Verzeich¬ 
nissen der Heiligen stand, als strenges Gebot vorgeschrieben. Sie 
folgte darin nur der Praxis der ersten christlichen Zeiten, in 
welcher eine Namensänderung im christlichen Sinne wohl sehr 
anempfohlen, niemals aber strenge geboten wurde. 
Deshalb beließen auch die Glaubensboten, welche den noch 
heidnischen Franken und Bajuvaren das Christentum verkündeten, 
den Neugetauften ihre altgermanischen Vornamen, wobei sie dem 
klugen Eat des hl. Papstes Gregor des Großen folgten, welcher 
an den zu den Angelsachsen gesandten Bischof Melitus schrieb, 
daß den rohen Gemütern nicht auf einmal alles abgeschnitten 
werden soll, was ihnen heilig und teuer wäre; denn nur durch 
Schritt und Tritt, nicht aber durch Sprünge gelange der, welcher 
die höchste Stufe erklimmen will, in die Höhe. — Aus diesem 
Grande erhoben weder St. Rupert noch die andern Glaubensboten, 
selbst auch St. Bonifatius, der große Apostel der Deutschen, gegen 
die germanischen Personennamen, die ihren Trägern und Stammes¬ 
genossen lieb und teuer waren, um so weniger Einsprache, als 
ein direktes kirchliches Verbot nicht existierte. Dazu muß noch in 
Erwägung gezogen werden, daß viele Träger solcher germanischen 
Vornamen in der späteren Zeit teils von der Kirche unter die Zahl 
der Heiligen versetzt, teils ob ihres tugendhaften Lebens und ihrer 
Wohltätigkeit von dem Volke als Heilige verehrt wurden. 
Kein Provinzialkonzil von Salzburg, keine Diözesansynode 
von Passau, so viele Bestimmungen dieselben auch bezüglich der 
Erteilung des heiligen Sakramentes der Taufe erlassen haben, haben 
jemals die Beilegung dieser Namen verboten.' 
M F. Pritz, Ranshofen, S. 20. 
2) A. a. 0., S. 7 f.
	        
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