Volltext: Heldensage und Namengebung

194 Heldensage und Namengebung. Von K. Schiffmann. 
Kreisen schließen. Für den Bauer und Bürger beweisen sie nicht 
viel. Wollte man mit einiger Sicherheit der Ziffern die Beliebt¬ 
heit solcher Namen unter dem Landvolke ermitteln, müßte man 
vor allem die Urbarien besser ausnützen als es bisher geschah. 
Es sind deren noch viel zu wenige bekannt und verwertet, als 
daß die bisherigen Resultate ein auch nur annäherndes Bild von 
den wirklichen Verhältnissen geben könnten. Zu dieser Un Voll¬ 
kommenheit der Agumentation kommt noch die, daß man zu wenig 
mit der Besiedelungsgeschichte rechnet. Und doch würde sich bei 
genauerem Zusehen herausstellen, daß bis in das 12. Jahrhundert 
die Träger von Namen aus der Heldensage vielfach fremde Siedler 
waren. Was also scheinbar für Bekanntschaft der Sage bei uns 
'beweist', kann in Wirklichkeit z. B. für fränkische Gegenden 
zeugen. Es ist ja sicher, daß mit der fortschreitenden Gründung 
von Klöstern im 11. und 12. Jahrhundert und der immer weiter¬ 
greifenden Landnahme von Seite der Bistümer, z. B. Bambergs, 
die Nachschübe der Kolonisten sich wiederholten. 
Ein großer Teil der Namen würde gewiß auch für unsere 
Gegenden als Beweismaterial in Betracht kommen, aber mich 
dünkt die Sonderung zu schwierig. Ferner bildet das Aufstreben 
des Bauernstandes zu wirtschaftlicher Selbständigkeit im 12. Jahr¬ 
hundert eine Klippe für solche Beweise. Die Nachahmungssucht 
und das Hinausstreben über den eigenen Stand seitens dieser 
Kreise erzeugt die vielen einschildigen 'Ritter5 und wird auch 
nicht ohne Einfluß auf die Namengebung geblieben sein. 
Wie vorsichtig man in der Beurteilung eines nicht sehr um¬ 
fassenden Materiales in dieser Beziehung sein muß, zeigt jede neue 
Arbeit auf diesem Gebiete. Nagl-Zeidlers „Deutsch-österreichische 
Literaturgeschlichte" schreibt z. B. über den Namen Dietrich: cEr 
ist am beliebtesten bei niedrigen Leuten, bei Bauern, Soldaten, 
Bürgern; hier hat auch das bayerische Element, der bayerische 
Dialekt seinen kräftigsten Boden. Der Adel, wie er vielfach frän¬ 
kische, ja fränkisch bleibende Elemente aufweist, ist dem Namen 
Dietrich abhold: nicht aus religiösen Gründen, wie die Geistlich¬ 
keit, sondern aus ästhetischen. Diet — klang so gemein; man 
liebte in der Adelsfamilie daher auch nicht den Namen Dietram 
oder Dietmar oder Diether. Freilich, wo, wie in Oberösterreicb, 
die Spaltung der Gesellschaft in Adel und Gemeine nicht so stark 
sich ausprägte, wo sich der Adel noch einen Sinn für das eigene 
Volkstum bewahrte, dort ist diese Abneigung eine geringere. — 
Die Geistlichkeit war dem Namen Dietrich aus moralischen Gründen 
abhold: Dietrich ist der Repräsentant der unbändigen bayerischen 
Rauflust, dem man entgegentreten mußte; trug er doch selbst 
heidnische Züge an sich.' 
Und nun vergleiche man damit das Ergebnis, welches G. E. 
Frieß, cDie Personen- oder Taufnamen des Erzherzogtums Öster¬ 
reich unter der Enns in historischer Entwicklung5 (Progr. des k. k.
	        
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