Volltext: Vormarsch

achten es kaum noch, wenn einmal ein paar Schrapnell¬ 
kugeln der Feldgeschütze zwischen uns hineinprasseln: das 
gibt schlimmstenfalls ein Loch in den Arm, die Schenkel. 
Einmal platzt ein schweres Schrapnell dicht über uns: eine 
Kugel haut mir an die linke Ferse, ich denke, der Fuß ist 
in Fetzen. Nein, nur der Sporn verbogen. Ich hebe die 
Kugel auf: allerhand Achtung: zweieinhalb Zentimeter 
im Durchmesser. 
Seltsam: alles, was um mich herumliegt, sieht nach 
mir. Immerfort nach mir. Die Gesichter sind angespannt, 
starr, fahl, die Augen weit aufgerissen, das Weiße gerötet, 
die Lider gedunsen. And alle hasten sie an mir. An meinem 
Ausdruck, meinen Bewegungen. In diesen Stunden Hab' 
ich gelernt, was das heißt: Führer sein. Wie das ver¬ 
pflichtet, erhöht, wie's einen steigert über sich selbst hinaus. 
Das vornehmste Hilfsmittel in schwerer Lage war uns 
leider ausgegangen: der Tabak. Fast niemand mehr hatte 
zu rauchen. Früher hatte ich mir immer, wenn's zu schießen 
ansing, eine Zigarre ins Gesicht gesteckt. Nun versagte 
dieses Beruhigungs- und Aufrichtungsmittel. And heute 
fielen auch keine Zigarren aus den Schrapnells. 
Vielerlei wirrt einem in solch zerreibenden Stunden 
des Ausharrens durch den Kopf. Am wenigsten das, 
was der Ankundige sich wohl vorstellen möchte. Man 
denkt nicht an den Tod, man läßt nicht „sein ganzes ver¬ 
gangenes Leben noch einmal an sich vorüberziehen". 
Man denkt nicht an Weib und Kind, nicht an die Heimat, 
nicht an Vaterland, König, Gott, Ruhm, Ansterblichkeit. 
I gar keine Idee! Man hat ganz andere Gedanken, ganz 
banale. Ob es wohl heut abend gelingen wird, die Feld¬ 
küchen heranzubringen? Wie lange die Schufte wohl 
noch so weiterschießen werden? Was denken sie sich eigent- 
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