Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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zur Verfügung gestellten Fuhrwerk zum Friedhof, hielt 
eine kurze Andacht am Grabe des gefallenen Helden und 
segnete seine Leiche ein. Und als ich dann wieder nach 
Hause kam, — es war etwa eine Stunde darüber ver 
gangen — da wehte wieder eine andere Luft. Es war 
günstigere Nachricht vom Kampffelde gekommen; wir durf- 
len wieder bleiben. — Wer war darüber froher als ich! 
— So hofften wir denn, daß es uns auch für die Zu 
kunft erspart bleiben würde, die Heimat zu verlassen und 
in der Fremde Unterkunft zu suchen, und in dieser Hoff 
nung wurden wir noch bestärkt durch eine Äußerung des 
Generals v. M., er müsse M. um jeden Preis halten, 
schon des Bahnhofs wegen, von dem aus große Mengen 
Munition, Proviant usw. herangeschafft wurden. — „Doch 
mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu 
flechten". — Bereits am Abend des 2. November sickerte 
so etwas durch, daß die Stadt am nächsten Tage wohl 
geräumt werden würde — ich wollte, ich mochte es nicht 
recht glauben — und am 3. November früh wurde dann 
tatsächlich bekannt gegeben, daß wir bis 12 Uhr mittags 
unsere Heimat verlassen sollten. Man kann sich denken, wie 
schmerzlich uns diese Nachricht war und welche Aufregung 
sie in der Stadt hervorrief. Es setzte nun ein Hasten und 
Jagen, ein Packen und Besorgen ein, das in nur zu 
vielen Fällen sein Ziel verfehlte, zwecklos und verkehrt 
war. — Namentlich die kleineren Leute wollten doch iroch 
so viel als möglich von ihrem Hab und Gut, ihre Betten, 
Kleider usw. retten und schleppten alle diese Sachen nach 
der Bahn und so gab es da ein Gedränge, einen Wirr- 
I warr, wie man ihn zu anderen Zeiten aus einem klein 
städtischen Bahnhof wohl kaum erlebt. — Die Mittags 
zeit war längst vorüber, eine Stunde nach der anderen 
verging. — Noch immer brachten die Autos Verwun 
dete aus den verschiedenen Lazaretten — es sollen im gan 
zen gegen 1300 damals in M. gelegen haben. Die Ver 
ladung derselben erforderte viel Zeit und nahm alle Kräfte 
des Bahnpersonals in Anspruch. Endlich um 4 Ahr setzte 
sich auch unser Zug in Bewegung. Dank der Freundlichkeit 
einiger Postbeamten hatte ich mit Mühe und Not noch 
im letzten Augenblick einen Platz in einem Packwagen ge-
	        
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