Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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manches traurige, schmerzliche Bild. Wie schnitt es doch 
ins Herz, wenn auf langen, mit Stroh bedeckten Leiter 
wagen die armen Verwundeten wimmernd und stöhnend 
angebracht wurden, wenn — manchmal erst des Abends um 
10, um 11 Uhr oder noch später, ein kleiner einspänniger 
Bauernwagen mit einem besonders schwer Verletzten an 
kam. — Das eine Lazarett schon überfüllt; — weiter 
ging es nach dem anderen, dem Kreiskrankenhause über 
hartes, unebenes Pflaster. — Ach, wie seufzte und jam 
merte da so mancher unter den Erschütterungen beim 
Fahren und fragte immer wieder: Sind wir noch nicht 
bald am Ziel?! — Und wie sah es im Krankenhause aus! 
Wie schwer hatten es, namentlich so lange keine Militär 
ärzte zur Stelle waren, der Arzt und die Schwestern des 
Krankenhauses. Ja, es waren böse, unruhige Wochen 
für uns — gar zu oft hatten wir bis in die späte Nacht 
hinein zu tun, zu schneiden, zu verbinden — jene Wo 
chen von Ende September bis Anfang November. — Den 
Eindruck, daß die Russen über kurz oder lang doch noch 
einmal über unser armes Ostpreußen herfallen würden, 
wurde man nicht los. — Um den 7. Oktober herum sah 
es wieder recht kritisch aus. Die Stadtverwaltung hatte 
sich in Anbetracht des Ernstes der Lage veranlaßt gesehen, 
den wenigen in M. noch zurückgebliebenen Einwohnern 
den Rat zur Räumung der Stadt zu geben. Schnell 
wurden die nötigsten Sachen gepackt und zur Bahn ge 
schafft. 2—300 Personen fanden sich dort ein und war 
teten auf die Weiterbeförderung mit der Eisenbahn. Ich 
selbst hatte mir noch rechtzeitig einen einspännigen Leiter 
wagen für die Flucht gesichert. Schon war derselbe vor 
gefahren; schon waren wir im Begriff, die mitzunehmenden 
Sachen auf denselben zu laden, da, im letzten Augenblick 
klopft es an der Tür und ein Herr tritt ein, der mich 
bittet, ich möchte doch zur Beerdigung des bei Bakalarzewo 
gefallenen Oberleutnants und Kompagnieführers vom 
18. Landwehrregiment, Grafen v. M. nach dem Friedhof 
kommen. — Was sollte ich tun? — Sollte ich sagen, 
es wäre nicht mehr möglich; ich müßte an mich denken?! 
— Das ging ja doch nicht an. Dieser Pflicht konnte 
ich mich unmöglich entziehen. So fuhr ich denn in dem
	        
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