Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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im Galopp nach den Toren der Stadt und brachte nach 
wenigen Minuten eilige Meldung zurück. Schließlich 
brach dann auch die ganze Schwadron auf, gefolgt von 
ihrem Hetmann, der kurz zuvor noch einen seiner 
Leute bei der Plünderung auf dem L'schen Grundstück 
ertappt hatte und ihn nun mit der Peitsche durch den 
Ort hinaus trieb. Ein eigener Anblick, wie dieser plün 
dernde Kosak hoch zu Roß aus dem Flur des L'schen 
Grundstückes geritten kam, unmittelbar hinter ihm der 
gestrenge Herr Rittmeister, der übrigens dem Alkohol auch 
! gründlich zugesprochen hatte und, wie ich nachher hörte, 
an der Postecke etwas unsanft vom Pferde geglitten ist. — 
Kurz bevor die letzten Kosaken unsere Stadt verlassen hatten, 
war es übrigens allen Einwohnern aufs strengste verboten 
worden, nach 5 Uhr die Straßen zu betreten, aus den 
Fenstern oder Dachkammern Ausschau zu halten — jeden 
falls doch aus dem Grunde, damit niemand sehen sollte, 
wo sie blieben, wohin sie sich zurückziehen würden. — Die 
Kriegsbetstunde mußten wir an diesem Tage wohl oder 
übel ausfallen lassen; im übrigen aber kümmerten wir 
uns nicht viel um das Verbot der Russen, gingen bald 
nach ihrem Abzüge ruhig auf die Straße und freuten 
uns über das Erscheinen eines Fliegers, der — daran 
war wohl nicht zu zweifeln — ein deutscher war. 
Und dann — am 11. September — kam der große 
Freudentag, der wohl allen denen, die ihn miterlebt haben, 
sich unauslöschlich eingeprägt hat. Am 11. September 
schlug für uns die Befreiungsstunde! — Es war noch 
nicht 6 Uhr morgens! Mit dem Schlafen wollte es nicht 
recht gehen. Ein eigenartiges Geräusch wie von Pferde 
getrappel drang an mein Ohr. Ich sofort aus dem Bett 
heraus und ans Fenster! Was sahen meine Augen! 
Deutsche Ulanen! Eine Schwadron nach der andern, stolz 
und würdig durch unsere Stadt reitend. Roß und Reiter 
so ganz anders als die Kosaken, die uns gestern noch 
beehrt hatten und nur so mit Mühe und Not der Um- 
1 Zingelung durch unsere Reiter entgangen waren. — Wer 
vermag die Gefühle zu schildern, die uns in jenem Augen 
blicke bewegten?! Unbeschreiblich groß war die Freude 
über den Anblick unserer Truppen über die Befreiung
	        
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