Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

83 
meister, den Superintendenten und zweiten Pfarrer u. a. m. 
als Geiseln mitgeschleppt hatte, wie man der Stadt eine 
Kriegssteuer von 60 000 Mark auferlegt hatte. Sollte es 
uns nun vielleicht ähnlich ergehen? Sollte unsere Stadt 
um dieses unseligen Vorkommnisses willen schwer büßen 
müssen? Wie gesagt, es waren keine sehr erhabenen Ge 
danken, die uns in jenen Tagen bewegten; aber — Gott 
sei gedankt — das gefürchtete Unwetter ging vorüber. 
Ein Gefährte des Kosaken, wohl ein Glaubensgenosse 
desselben, kam noch etliche Male nach der Stadt 
! geritten und erkundigte sich immer wieder nach dem Ver 
bleib seines Kameraden — schon glaubten wir, er wäre 
von seiner Truppe ausgeschickt — als er aber doch nichts 
Rechtes darüber erfahren konnte, blieb er endlich weg 
und es wuchs auch über die Erschießung des Kosaken 
Gras. — Der aber, der für alle Fälle in Haft genommen 
war, wurde nach dem Einrücken unserer Truppen sofort 
aus derselben entlassen und von allen Seiten, auch von 
unseren Offizieren als ein Held gefeiert. 
An bangen bösen Stunden hat es uns so in unserm 
Städtchen unter der Russenherrschaft auch nicht gefehlt. 
Zur Aussprache und gegenseitigen Aufrichtung fanden wir 
uns so manchmal in dieser trüben Zeit in der Wohnung 
eines lieben Mitbürgers, des Magistratsmitgliedes und 
zeitweiligen Stadtoberhaupts zusammen. Eine solche Zu 
sammenkunft und Beratung ist mir ganz besonders in der 
Erinnerung geblieben. Es waren wieder einmal Ge 
rüchte durchgesickert, die Russen wären bei ihrem weiteren 
Vordringen in Ostpreußen auf energischen Widerstand 
seitens unserer Truppen gestoßen, ihre Sache stände nicht 
gut. Auch war eine Zeitung in russischer Sprache, die 
in Grodno gedruckt war und aus den Kampf in Ostpreußen 
bezügliche Nachrichten enthalten sollte, nach Marggra- 
bowa gebracht worden. Wie aber den Inhalt enträtseln! 
Schließlich gelang es doch, mit Hilfe einer Dame, die 
etwas Russisch verstand, und unter Benutzung eines 
Lexikons hinter das Geheimnis zu kommen. — Was war 
es? Was stand da zu lesen? Die Russen mußten es 
selbst zugestehen, daß sie — an welchem Orte, war nicht 
gesagt — die erste schwere Niederlage von den Deutschen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.