Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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fehlte es ihnen auf dieser Wanderung nicht; aber das 
Vorzeigen des Scheines mit dem russischen Stempel tat 
doch immer wieder seine Wirkung und half über alle 
Schwierigkeiten hinweg. 
Lange sollte es nun allerdings auch nicht mehr 
dauern, bis wir in Marggrabowa von aller Welt abge 
schnitten waren und — Gott sei gedankt nur für ca. vier 
Wochen — der russischen Herrschaft verfallen waren. — 
Es war am Abend des 18. August, etwa um 6 Uhr, da 
sehe ich auf demselben Wege, den damals die Garde 
reiter gekommen waren, 2 eigenartige Gestalten in unsere 
Stadt hineinreiten: Die erste Kosakenpatrouille, die wohl 
feststellen sollte, ob noch preußisches Militär in Marggra 
bowa sei. — Wie jämmerlich sahen diese Kerle doch aus, 
weniger wie Soldaten, als wie Spitzbuben. 
Ihr ganzes Außere so wenig vertrauenerweckend; ihre 
Uniform so unsauber. Die Pferde klein und struppig, 
nichts im Vergleiche zu denen jener Reiter, die wir am 
14. August gesehen hatten. — Den Karabiner stets in der 
Hand, zum Schuß bereit, so ritten diese beiden Kosaken 
langsam Schritt für Schritt, — sich scheu nach allen Seiten 
umsehend — über den Marktplatz. Nachdem sie denselben 
gründlich abgeklappert und sich überzeugt hatten, daß bei 
uns kein preußisches Militär sei, gaben sie ihren Pferden 
ein paar kräftige Schläge mit einer Knute — Sporen 
hatten sie keine — und fort ging's in schnellem Trabe die 
selbe Straße, durch die sie gekommen waren, wieder zur 
Stadt hinaus. 
Nun wußten wir, woran wir waren, nun gab es kein 
Entrinnen mehr. Richtig — am andern Morgen — ziem 
lich früh noch rückte bereits eine zweite etwas größere 
Abteilung Kosaken in Stärke von 12—13 Mann in Marg 
grabowa ein. Diese waren nicht mehr so ängstlich und 
vorsichtig wie jene, sondern gingen geraden Wegs auf 
ihr Ziel los und taten bereits so, als ob sie die Herren 
der Stadt wären. Aus einem Laden wanderten sie in 
den andern, forderten allerlei und ließen sich auftischen, 
was nur ihr Herz begehrte, namentlich Zigaretten, Kognak, 
Liköre — natürlich alles ohne Bezahlung. — Für gute 
Marken hatten sie, wie mir erzählt wurde, ein ganz befon-
	        
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