Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

schen, aber ihr Gruß klang wenig einladend: „Zerr Pfarrer, 
warum kommen Sie, Sie werden noch totgeschlagen wer 
den, in Ihrem Zause sind die Kerls drin gewesen und 
das Klavier ist auch entzwei; darauf haben sie immer 
gespielt." Mein Fuhrmann machte ein bedenkliches Ge 
sicht, ich ließ also halten; was wir mitgebracht, wurde 
beim nächsten Besitzer abgeladen, damit mein Fuhrmann 
sich mit seinem Pferd nicht in Gefahr zu begeben brauchte, 
und ich ging dann allein auf Erkundung aus. Ich komme 
an mein Haus und sehe richtig ein paar Schritt weiter 
Russenpferde stehen und einige Soldaten dabei, das 
hielt mich nun aber nicht ab mein Zaus durchzusehen 
und das wenig einladende Bild des Innern zu betrach 
ten. Mein Hineingehen muß nun wohl bemerkt wor 
den sein, aber nicht, wie ich das Zaus wieder verlassen 
habe. Denn kaum hatte ich meine Mutter wieder auf 
gesucht, kommt mir schon ein Junge nachgelaufen und 
erzählt ganz aufgeregt: ich solle bloß ja nicht zurückkom 
men; denn den „langen Deutschen" suchen sie und einer 
habe das Dienstmädchen zu sehen bekommen, diese mußte 
ihn ins Haus führen und dort habe er sie gewürgt, weil 
sie ihm keine Auskunft über meinen Verbleib geben konnte; 
nur durch List sei sie gerettet worden; aber ich solle mich 
nur schleunigst verstecken. Ich schwankte, ob ich mich auf 
meinen russischen Ausweis verlassen konnte, zumal ich 
gehört, daß der unterzeichnete Kommandant gefallen sei 
und ich wieder auch keinem Russen große Lesefertigkeit 
zutraute, besonders nicht einer vom Alkohol in ihrer Ent 
scheidungsfähigkeit gehemmten Schar; darum nahm ich 
das liebenswürdige Angebot des Herrn Postagenten an, 
der alle Pfarrhausglieder ins Zaus aufnahm, wo seine 
Gattin in der mütterlichsten Weise für gute Unterkunft 
sorgte, und die nun doch eingeängstigte Schar in ihre Ob 
hut nahm; doch am meisten trauten wir auf den Schutz 
des Herrn dort oben. Und so habe ich denn auch sehr 
gut geschlafen, und hörte voll Freude des Morgens die 
Kunde vom nächtlichen Ausbruch der Russenschar; ich war 
darum gern bereit, trotz meiner schwachen Kräfte den 
Sonntag mit einem Gottesdienst in der Kirche zu feiern. 
Da, ich war noch nicht aufgestanden, ein erregtes Ge- 
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