Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

Hauses standen nun zusammen mit der Frage: „Was tun?" 
Einige Männer hatten ihre Sachen über den Arm ge 
worfen und wollten fortlaufen, das war ja aber un 
sinnig, denn wohin? Wir wußten ja gar nicht, wohin 
die Kugeln zielten, nur einige Feuerbrände wiesen uns 
die Gefahr. So traten wir denn zusammen, um im Liede 
unser Lerz zu dem Lenker aller unserer Wege und dem 
Lüter unseres Lebens zu erheben. Wir sangen als Glau 
bens- und Vertrauenslied: Ein feste Burg ist unser Gott 
und Worte des 91. Psalmes gaben uns tröstliche Zuver 
sicht auf den Herrn, dem wir dann nach kurzem Gebet 
all unsere Wege anbefahlen durch das Lied: „Befiehl 
du deine Wege." Es war eine Angststunde, als die 
Brennerei und Scheune des Schloßgutes brannten und 
das Vorderhaus — das Hauptgebäude des Kranken 
hauses — völlig in Rauch gehüllt war und wir nichts 
anderes annahmen, als das Krankenhaus sei schon von 
den Flammen erfaßt; telephonische Verbindung war den 
ganzen Vormittag ja nicht mit dem Vorderhause zu er 
reichen und heraus wagte sich auch niemand! Aber der 
Kanonendonner hörte auch einmal auf, und da hieß es 
bald umziehen nach dem Vorderhaus. Freundlichst wurde 
dort den drei Typhuserkrankten, — wir waren aber schon 
sämtlich fieberfrei —, da sie alle zu meinem Hause ge 
hörten, ein Zimmer mit zwei Betten angewiesen. Kaum. 
waren wir hier, so wurden unsere früheren Zimmer schon 
von Russen besucht, die dort gar manches fanden, was 
wir lieber wieder gefunden hätten. Hin ist hin. Den ganzen 
Abend und die Nacht hindurch konnten wir zu unserem 
nicht geringen Schrecken den Trubel der durchziehenden 
Truppe und ihrer Bagage sehen und hören. Auffallend 
viele Rote Kreuzwagen waren dabei. Und dann bedauerten 
wir die Bürger, die ohne Obdach oder voller Angst im 
Treppenhaus und in den Korridoren eine Unterkunft such 
ten. Auf einen Sonntag voller Unruhe folgte Montag 
der 24., wo viele russische Verwundete ins Krankenhaus 
gebracht uttd dann dort verbunden wurden. Es sollen 
2000 im Krankenhaus, 8000 in der Stadt gewesen sein. 
In den Gängen war Stroh geschüttet und dort wurden 
die Kranken nebeneinander gelegt, so daß kein Raum zum 
Moszeik, Ariegserlebnlff« II. 16 
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