Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

Liebstadl während der Russengefahr 
im August 1914. 
Von Pfarrer Äeynacher. 
Der Kreis Mohrungen gehört zu den wenigen Kreisen 
der Provinz, die von einer wirklichen Invasion der Russen 
verschont geblieben sind. Allerdings haben sich einige 
Trupps der Vorhut der Rennenkampfschen Armee, die 
wohl mit der Narew-Armee Samsonows Fühlung suchen 
sollte, auch in unmittelbarer Nähe Liebstadts bemerkbar 
gemacht. — 
Am Sonntag, den 30. August 1914, als wir seit 
einigen Tagen ein Kriegslazarett des 1. Armeekorps in 
unserer Stadt hatten, erhielt die Leitung desselben Nach 
richten von dem Auftreten russischer Truppenteile bei 
Wormditt in Stärke von 2—3000 Mann. Infolgedessen 
wurde sein Standort der eigenen Sicherheit halber am 
Nachmittag zunächst nach Mohrungen verlegt. Jene russi 
schen Truppenteile stießen aber nicht weiter vor, sondern 
schickten nur kleinere Reiterabteilungen zur Erkundung in 
die Gegend von Liebstadt. Es ist kaum anzunehmen, daß 
überhaupt noch ein weiteres Vordringen Rennenkampfs 
nach Westen geplant war. Die inzwischen auch ihm be 
kannt gewordene Katastrophe bei Tannenberg mag ihm 
schon jetzt den Gedanken zum Rückzug nahegelegt haben. 
Immerhin sind feindliche Reitertrupps in einer Stärke 
von 80—100 Mann unserer Stadt bis auf eine Entfer 
nung von 2—3 Kilometern nahe gekommen und haben 
wohl auch den Auftrag gehabt, die Eisenbahnbrücke bei 
Sporkehnen zu sprengen, die damals aber von einem 
stärkeren Landsturmposten bewacht wurde. Bei solcher Ge
	        
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