Volltext: Kriegserlebnisse ostpreußischer Pfarrer 2. Band (2. Band / 1915)

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schritten den Fluß, bis an die Brust im Wasser watend, 
dann ging's mit Hurra gegen die Mühle. Der Feind war 
aber schon ausgerissen; wir natürlich hinterher! Es wurde 
nun nur stehend, freihändig geschossen. Da kam plötzlich 
von hinten her unsere schwere Artillerie und schmetterte 
in die fliehenden Feinde hinein! Es war ein Anblick 
von eigenartiger Furchtbarkeit! Die Geschosse fuhren 
über unsere Köpfe hin in die dicht gedrängten Massen 
der fliehenden Russen. Auf dem nächsten Hügel ange 
langt, erhielten wir jedoch von drei Seiten Maschinen 
gewehrfeuer und mußten zu unserem Arger zurück. 
Wochenlang standen wir täglich im Feuer. Die Russen 
pflegten täglich die ganze Umgegend, wo sie uns ver 
muteten, mit ihren Granaten und Schrapnells zu be 
legen. Einmal „wusch" ich gerade mein Kochgeschirr in 
einer „Pfütze" — es war doch nicht anders zu machen! — 
Da schlug eine Granate vier Meter vor und eine andere drei 
Meter hinter mir ein; beide explodierten nicht, sonst wäre 
mir die Sache doch wohl etwas „nahe gegangen". Man 
hatte sich so sehr an alle Schlachtengeräusche — und die 
sind nicht gering — wie an das Einschlagen der Eisen- 
hüte gewöhnt, daß man sich nur ärgerte, sobald dieselben 
einen mit Schmutz und Schlamm bewarfen. — 
Am zweiten Weihnachtsfeiertage hatten wir einen 
Hauptspaß. Es gab „Erholungsurlaub" und wir spielten 
auf einem ebenen Felde, preußische Pioniere gegen 
sächsische Artillerie — Fußball und gewannen glatt 3:1. 
Daß hier und da russische Granaten einschlugen, schien 
niemanden zu stören. Es meinte nur jemand: „Die 
Russen spielen par distance mit." Der Fußball, aus 
einer verlassenen Schule „requiriert", ist wohl nie in 
seinem Leben so „bewegt" worden, wie an jenem 26. Dez. 
Als Gefechtsordonnanz mußte ich eines frühen Mor 
gens heraus, um einer Abteilung einen Befehl zu über 
bringen. Es sollte festgestellt werden, ob ein Dorf dort 
irgendwo vorne von den Russen besetzt wäre. Ich fand 
die Abteilung aber nicht und ging in der mir angegebe 
nen Richtung weiter, in der Vermutung, die Leute irgend 
wo zu treffen. In dem Halbdunkel sah ich endlich einest 
Trupp Menschen auf mich zukommen. Zivilisten gab es
	        
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