Ob man jetzt sicher ist? Meines Erachtens wohl erst
nach Eroberung von Warschau und dem Rückzüge der
Feinde nach Osten, nach Moskau zu. Wir sind hier nur
etwa 7 Kilometer Luftlinie von der Grenze entfernt. Die
Befestigungen längs der Grenze sollen jetzt ja eine große
Vollkommenheit erlangt haben. Südlich Mlawa beginnen
sie und reichen hier bis Soldau, in mehreren Reihen:
Stacheldrähte Verhaue, Schützengräben. Jeder, den
man spricht, ist der Aberzeugung, die Russen kommen
nicht mehr durchs da kann man ja langsam die
Bücher und Akten, die im Keller aufgestapelt liegen, her
aufholen. — Bei Grodtken soll wohl so ein Loch sein,
wo die Russen bisweilen durchkamen, so z. B. noch im
März. Da erschien eine Abteilung Kosaken diesseits der
Grenze, vielleicht hundert Mann; sie waren durchge
kommen und wohl nachher abgeschnitten worden. Sie
wurden teilweise (in Lautenburg) gefangen genommen,
teilweise erschossen. Die letzten sollen etwa 3 Kilometer
von hier gefallen sein. — Ferner wurde mir von einem
Unteroffizier der hiesigen Bahnhofswache erzählt, eines
nebeligen Abends im Winter — es war nur der Bahn
hof erleuchtet — erschien auf der Anhöhe in einer Ent
fernung von etwa 30 Meter ein Reiter, der auf Anruf
des Postens Kehrt machte, im Galopp bergab ritt und
in der Dunkelheit verschwand. — Eines anderen Abends
wurde plötzlich die Eisenbahnbrücke, V* Kilometer vom
Dorfe, für einige Augenblicke taghell erleuchtet, wohl mit
Acetylen. Auch hier konnte der Posten, der das Gewehr
sofort in Bereitschaft setzte, nichts ausrichten. — Sagt
man nicht, daß hier und da der Verdacht besteht, daß
öffentliche Anlagen, wie Wassertürme und dergleichen,
besonders an den Bahnstrecken, vor Attentaten bezahlter
Spione nicht sicher seien? Ist nicht jemand in O. eines
Abends, als ich meinen Quartaner besuchte und er unten
wartend auf und ab ging, als Verdächtiger verhaftet und
in die Kaserne gebracht worden, wo er sich natürlich so
gleich als einwandfreier Vater zweier feldgrauer Kano
niere ausweisen konnte! — Wie leicht wäre es einem
Trupp feindlicher Reiter, nachts bis zu uns zu gelangen!
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