Volltext: Das Bevölkerungsproblem Oesterreichs

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L. Gschwendtner: Das Bevölkerungsproblem in Oesterreich. 
sianistischer Ideen gerade in diesen Kreisen. Es brach sich die Erkenntnis 
Bahn, daß eine große Kinderzahl nicht nur die Lebensführung wesentlich 
erschwert, sondern — und darin liegt hier eigentlich das treibende Moment 
— die soziale Aufstiegsmöglichkeit und kulturelle Leistungsfähigkeit 
behindert. Man wird schon heute damit rechnen müssen, daß in diesen 
Kreisen die Prävention und ihre Technik geradezu zu einem „Bildungsgut“ 
geworden ist. Selbst darüber darf man sich nicht mehr täuschen, daß die 
Technik der Verhütung auch in anderen Kreisen unseres Volkes nicht mehr 
unbekannt geblieben ist, denn die Verringerung der jährlichen Geburtenzahl 
der Städte ist nur zu einem ganz geringen Teil durch natürliche Unfrucht 
barkeit bedingt. Mit dieser eigenartigen Entwicklung des Geschlechtslebens 
und der damit bewußt herbeigeführten Trennung der Fortpflanzung von der 
Befriedigung ist das Bevölkerungsproblem in eine neue Phase eingetreten, 
und mit dieser muß man heute rechnen. Man kann deshalb die Hauptfrage 
weder bejahen noch verneinen, sondern muß die Antwort dahin präzisieren, 
daß dieser Willkürzustand unserer Vermehrung vor allem einer Regelung, 
und zwar in dem Sinne bedarf, daß die Prävention nicht so wie bisher 
sinnlos und zum Nachteil unseres kulturellen Lebens weiter angewendet 
werde, sondern, da sie nun einmal nicht mehr zu umgehen ist, mit Hilfe 
von geeigneten Maßnahmen in eine ganz bestimmte Richtung abgedrängt, 
die Interessen der Gemeinschaft schütze. Wenn es gelingen würde, daß sich 
die soziale Hygiene, vor allem aber unsere Aerzteschaft ihrer bemächtigt, 
was wohl bei etwas gutem Willen auch durchführbar wäre, so könnte die 
Prävention mit ihrer schon erreichten Technik, gestützt durch weitere Maß 
nahmen sozialer Art, ein äußerst wertvollesi und überdies harmloses Mittel 
zur Bekämpfung der Vermehrung körperlich und geistig krank veranlagter, 
entarteter Personen werden. Mit dieser Lösung würde die Prävention nicht 
mehr als jenes schreckliche Symptom erscheinen, das verhängnisvoll und 
dunkel in den Lauf der Generationen eingreift, sondern, ihrer heutigen 
Tendenz zum Teil beraubt, von einem sozialen Zweck erfüllt, das Volk 
zumindest vor großen, unerwarteten und unerwünschten Schwankungen 
bewahren.
	        
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