Volltext: Das Bevölkerungsproblem Oesterreichs

Das Bevölkerungsproblem in Oesterreich. 
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ihrer Nachbarn hilflos ausgeliefert wären. Wenn man auch die E a s t- 
schen Forderungen für die österreichischen Verhältnisse zurzeit ablehnen 
muß, so soll deshalb die Grundidee, die East mit seinem Werk mit aller 
Klarheit und Beweiskraft ausgestattet hat, vor allem die Gefahr der Ueber- 
fülliung der ganzen Erde mit Menschen, nicht in Vergessenheit geraten, im 
Gegenteil, man muß daraus vor allem für die heutigen Verhältnisse die 
Lehre ziehen, mehr als bisher den Nahrungsspielraum in der Bevölkerungs 
politik zu beachten und ihn auf keinen Fall zu überschätzen. Mit dieser 
Stellungnahme zu den Forderungen E a s t s soll aber nicht etwa gesagt sein, 
daß nun andererseits die Folgerungen Grotjahns vorbehaltlos auf die 
österreichischen Verhältnisse Anwendung finden können. Vor allem wird 
man seiner Auffassung, daß heute bevölkerungspolitische Maßnahmen quali 
tativer Art gegenüber den quantitativen noch zurückzu stehen haben, nicht 
beipflichten können. Damit Oesterreich den kulturell hochstehenden Erwar 
tungen, die an sein Volk gebunden sind, Genüge leisten und so seine völ 
kische Bedeutung wahren kann, wird es wohl seine ganze Macht daran 
zusetzen haben, um seine geistige Leistungsfähigkeit, die heute mehr denn 
je gefährdet ist, nicht zu verlieren. Bekanntlich ist der starke Rückgang 
unserer Geburtlichkeit darauf zurückzuführen, daß sich vor allem unsere 
Gebildeten und geistig gut und hochbegabten Kreise einer immer weiter 
gehenden Verringerung der Kinderzahl befleißigen und nicht auf eine all 
gemein gleichmäßige Beschränkung der Geburtenzahl. Auf solche Weise 
kann die geistige Spannkraft unserem Volke nicht erhalten werden. Da die 
Gefahr sehr groß ist, daß dieser Zustand in den intellektuellen Kreisen zu 
einem Dauerzustand wird, da ja bekanntlich mit der Kinderlosigkeit und 
Kinderarmut eine merkliche Erleichterung der Lebensführung einhergeht 
und überdies die Verhütung heute kaum besondere Geschicklichkeit er 
fordert, so wäre es geradezu verbrecherisch, wollte der Staat dieser Erschei 
nung gleichgültig gegenüberstehen und keine Maßnahmen ergreifen, die 
imstande wären, ein schon drohendes Verhängnis zu verhüten. Man wird 
deshalb im Gegensatz zu Grotjahn fordern müssen, daß schon heute 
gegen jedes Weitergreifen des Geburtenrückganges in den Kreisen unserer 
Gebildeten und geistig „Wohlgeborenen“ Vorkehrungen getroffen werden, 
die sich, wie hier nicht näher ausgeführt werden kann, gegebenenfalls sehr 
wohl mit allgemeinen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Hebung 
unserer Geburtlichkeit verbinden lassen. 
Will man nun zum Schluß die Hauptfrage der Abhandlung beantwor 
ten, so wird man notgedrungen an die statistisch nachgewiesene Tatsache 
anzuknüpfen haben, daß die Verhütung der Geburten am meisten in den 
Kreisen vorzukommen pflegt, die kraft ihrer geistigen und körperlichen 
Fähigkeiten den Durchschnitt überragen. Mannigfache Umstände privat- 
wirtschaftlicher und sozialer Art begünstigten das Eindringen neumalthu-
	        
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