Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

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Richtung, wo man die feuernde feindliche Bat- 
terie vermutete. 
Frensdorfs und Röder hielten sich in der 
vordersten Linie. Man war noch keine hun- 
dert Meter weit vorgedrungen, als das Ee- 
fchützfeuer, das die ganze Zeit über wie toll 
gedonnert hatte, wie auf Zauberschlag schwieg. 
„Nanu, sollten die Kerle was gemerkt ha- 
ben und vorzeitig Fersengeld geben", meinte 
der junge Leutnant spöttisch und setzte den 
Fernstecher an die Augen. 
„Irrtum. Märchen, schwerer Irrtum", 
gab der Rittmeister zurück, „dahinter steckt 
so wahr wir uns heut' abend alle beide einen 
Orden holen wollen, eine ganz spezielle Teu- 
felei . . . passen Sie auf, der Tanz wird 
gleich losgehen." Wie um die Worte des 
Offiziers zu bestätigen, pfiff im selben Augen- 
blick eine Granate über die Köpfe der Reiter. 
„So, das gilt uns!" frohlockte der Leut- 
nant, „und mir scheint, der Bande sind mitt- 
lerweile die Schrapnells ausgegangen: um so 
besser! Sie wissen Frensdorfs, die Dinger- 
chen waren nie meine Privatliebhaberei. 
Spritzen da mit einem Male ein paar hun- 
dert Kugeln herum, man weih nicht wie noch 
wo, und gewöhnlich haben gleich die Gäule 
ein paar im Bauch ... da lob' ich mir 
die Pfundgranaten. Kriegt man nicht gerade 
«ine an den dummen Kopf, weicht man den 
Flugbestien wenigstens glatt aus. Aber se- 
hen Sie doch! Da!" 
Der Rittmeister folgte mit den Blicken 
Röders ausgestreckten Rechten, die auf eine 
seitliche Erhöhung des Terrains zeigte. 
„Wieso? Ich sehe nichts. Ah doch, ja . . . 
Donnerwetter, Bedeckungskavallerie! Wenn 
man doch der Bande über den Hals kommen 
könnte!" 
„Aber gewiß, gewiß", flüsterte der Leut- 
nant, dem die Kampfbegierde aus den hellen 
Augen blitzte, „werden uns sachte heranpür- 
schen, und dann drauf! Bei dem Moosboden 
hier geht's ganz famos. Zuerst die Kerle 
da, und dann die Batterie!" 
„Gut, also los . . . aber äußerste Vor- 
ficht, daß uns die Posten nicht zu früh be- 
merken." Mit leiser Stimme gab der Ritt- 
meister die nötigen Befehle: dann trabte die 
kleine Truppe unter dem Schutze des dichten 
Gebüsches, das hier ein fast undurchdring- 
liches Gewirr bildete, gegen die feindliche 
Stellung. 
„Ein wahres Glück, daß wir diese 
Schneise entdeckt Haben", meinte der Leut- 
nant im Flüsterton, „wie sollten wir uns 
sonst durcharbeiten!" 
„Bloß der fatale Heugeruch . . . wenn 
da einer von den Gäulen . . Der Ritt¬ 
meister hatte den Satz noch Nicht zu End« 
gesprochen, als das vorderste Pferd laut auf- 
wieherte. 
„Himmeldonnerwetter! Verd ... Bestie!" 
Der wütende Fluch des Leutnants Röder fiel 
auf die Sekunde mit einem schneidigen „Halt!" 
zusammen, das keine zwanzig Meter vor der 
Truppe ertönte. Im nächsten Moment stürzte 
einer der Reiter, durch den Kopf geschossen, 
vom Pferde. 
Jetzt gab's kein Halten mehr. Wie ein 
höllisches Gewitter brach die Truppe über 
den Sattelplatz der russischen Reiter, die. aus 
keinen Ueberfall gefaßt, in toller Verwirrung 
durcheinanderliefen. Rur dreien gelingt «z 
überhaupt, sich in den Sattel Zu schwingen 
Mit ihnen wird der junge Leutnant Röder, 
der wie ein Berserker herumwütet, ganz al- 
lein fertig. Schon hat er die beiden ersten 
Reiter vom Pferde gehauen, als der brüte, 
ein Hüne von Gestalt, auf ihn lossprengt 
„Nu, du Russensohn, steig' zu deinen Vä- 
tern!" brüllt Röder und legt seine Lanze 
zu einem furchtbaren Stoße an. Sie wird 
ihm vom Gegner beiseite geschlagen. Jehl 
gehts Mann auf Mann. Die Klingen sprü- 
hen Feuer: wie Blitz und Wetterleuchten fun- 
kelts in der Luft. Schon blutet der Leut- 
nant aus mehreren Hiebwunden, die der an- 
dere, noch gänzlich unverletzt, ihm hat bei- 
bringen können. Aber in diesem Augenblick 
gelingt es Röder, dem Gegner aus nächster 
Nähe eine gewaltige Terz übers Gesicht zu 
ziehen: einen Moment, und der Russe läßt 
den Säbel fallen. Der Rittmeister, der ge- 
rade hinzusprengt, braucht seinem Kameraden 
nicht mehr zu helfen: denn der Russe stürzt 
plötzlich leblos vom Pferde. Eine Granate, 
die unweit krepierte, hatte ihn mit einem 
tückischen Splitter in den Rücken getroffen. 
„Fort, fort ... zur Seite!" schrie der 
Rittmeister seinen Leuten zu, die sich mit den 
letzten fliehenden Feinden herumbalgten, „die 
Batterie hält direkt auf uns zu." In der 
Tat prasselte alsbald ein Granatenhagel aus 
den Sattelplatz herunter, daß einem Hören 
und Sehen verging. Die siegreichen Ulanen 
konnten noch schnell einige der angezäunten 
Pferde losbinden und sie seitwärts ins Ee- 
büsch ziehen, dann war die Stelle ohne Le¬ 
bensgefahr nicht mehr zu überschreiten. 
Wie sich herausstellte, hatte der kühne 
Angriff nur einen Toten und ein paar Leicht- 
verwundete, darunter Leutnant Röder, ge- 
kostet: dagegen waren von den Feinden fünf 
auf dem Platze geblieben und drei gefangen ie- 
nommen worden. Während man die Ver- 
wundeten in Eile verband, beriet der Rittmel- 
ster mit seinen Offizieren, wie man die noch
	        
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