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Der armen Anna zitterten die Knie. In
ihrer Angst beteuerte sie ihre und ihres Man-
nes Unschuld und sprudelte die ganze Ee-
schichte von dem Plan des Geizhalses hervor,
der bei ihnen, den Armen, sein Hab und
Gut versteckt hatte, damit man bei ihm nichts
fände und es ihm nehmen könne.
Die Dreie wurden nachdenklich. Zum
Teufel noch mal. das war ja ein ganz fil-
ziger Kerl, dieser Nachbar. Der sollte seine
Strafe haben.
„Frau, stellen Sie sich an den Herd und
kochen Sie", kommandierte Hans Stubbe und
stieß mit dem Gewehr auf den Boden. Aber
er lachte über das ganze Gesicht und hob
eins der Kindchen, das im Nachthemdlein,
schlaftrunken, erwacht von dem Lärm, im
Türrahmen erschien, von der Erde empor,
und wiegte es auf seinen Armen. Da wurde
Annas geängstigtes Herz ruh'g. Was war
zu machen, die Soldaten befahlen, sie hatten
die Macht, der sie gehorchen muhte. Dem
Geizhals Abeles war nicht zu helfen und ganz
im stillen — ganz im stillen — sie wollte
es sich nur nicht gestehen, gönnte sie dein
Narren diese Lektion.
Als das Mahl bereitet war, sahen zeh»
Feldgraue und Iwan und Anna mit ihre»
Kleinen um den Tisch, denn Hans Stubie
war leise durch den Garten geschlichen und
hatte die hungrigen Kameraden geweckt und
sie zu den so unvermutet gefundenen Schätzt»
geführt. Hei, das schmeckte ihnen aber! Sie
spielten den Wirt und bedienten ihre Wirte,
als ob sie Festgäste wären.
Am Morgen, als die goldene Sonn«
schien, zogen die Feldgrauen weiter. Abel«
lag wohlig lächelnd noch in seinen Federbet-
ten und hörte zufrieden ihrem Abmarsch 311.
Als er aber in seine Eßstube trat, stand
da eine große Schüssel, in der abgenagte Ee-
flügelknochen, Hübnerfedern. Wurstschalen und
die anderen Abfälle des Mahles fein säuber-
lich aufgeschichtet waren. Daneben aber lag
ein Zettel, auf dem die „Barbaren" in hös-
lichen Worten ihrem freundlichen Wirt ihm
Dank aussprachen für die köstlichen, für sie
gesammelten u. aufgespeicherten Herrlichkeiten
Die Wirkung eines Granatschuffes.
Ein Artillerieoffizier schreibt: Was stellt
man sich wohl in der Heimat darunter vor.
wenn es im Bericht der Obersten Heeres-
leitung heißt: An der Westfront nichts neues,
nur Ärtilleriekämpfe? Ich will einmal schil-
dem, was nur ein Geschoß ^anrichten kann.
Ich lag auf Beobachtungsstand, als eine fran-
zösische 21-Zentimeter-Granate 200 Meter vor
mir einschlug. Sie schlug gerade mitten in der
Chaussee ein, die mit schwerer Makadamdecke
belegt war und selbst bei schlechtestem Wet-
ter von unserer schweren Artillerie befahren
werden konnte. 'Etwa 120 Meter vor mir
lag ein schöner, mit einer sehr hohen, fast
vier Meter erreichenden Umfassungsmauer ver-
sehener Garten, vom Kriege noch ganz unbe-
rührt. Ueppig blühten die verschiedenfarbi-
gen Blumen. Plötzlich aber, unmittelbar, nach¬
dem die französische Granate eingeschlagen
hatte, vollzog sich eine Aenderung, die mir
unvergeßlich bleiben wird. Mit gewaltigem,
nicht näher zu beschreibendem Getöne und Kra-
chen hob sich einer der sehr alten, dicken Baum-
rieben, die die Chaussee einfaßten, kerzengerade
mit allen Wurzeln in die Höhe, genau so, als
wenn er von unsichtbarer Hand mit all seinen
mächtigen Wurzeln u. Würzelchen aus dem Bo-
den gerissen und zum Himmel gehoben wer-
den sollte. Etwa sechs bis acht Meter hoch
flog der Baumriese in die Höhe, dann stürzte
er krachend in den Blumengarten, und was
das Allermerkwürdigste dabei war, wieder voll-
kommen auf den noch mit Erde versehene»
Wurzelballen, so daß er, von der Wucht des
Falles fest in die Gartenerde .gedrückt, ge¬
radewegs von der Chaussee in den Garte»
verpflanzt zu sein schien. Wir gingen näher
Der mächtige Baum stand vollkommen fest;
wir rüttelten an ihm, er bewegte sich nidjt
Zahlreiche Wurzeln waren wohl gebrochen,
indessen dürfte der so gewaltsam in den Gal-
ten Verpflanzte hier weiter wachsen könne»,
da seine Schwere bei nassem Wetter die Wur-
zeln so weit in den Boden eindrücken kan»,
daß sie Nahrung finden und den Baum nach
und nach fest verankern können. Mitten auf
der Chaussee hatte die eine Granate ein der-
art großes Loch ausgehöhlt, daß ein bis zwei
Möbelwagen bequem ihren Inhalt in ihm
terbringen konnten.
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