Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

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Seine großen Augen schienen sich mit 
Tränen zu füllen. Du lieber Gott, so jung 
und schon sterben! 
„Ich habe eine Bitte", flüsterte er weiter 
und nestelte mit zitternder Hand an seiner 
Uniform. Ich wollte ihm helfen, die Knöpfe 
zu öffnen, er wehrte mich ab, — und dann 
riß er mit einer letzten Anstrengung das gol- 
dene Kreuzchen aus der Brust, daß die Kette 
zersprang. 
„Meiner Mutter . . hauchte er mit 
erlöschender Stimme. 
„Soll ich das Kreuz deiner Mutter brin¬ 
gen?" fragte ich. 
„Ja, ja, sie gab es mir zur Konfirma- 
tion — meine Mutter — 
Das Blut gurgelte ihm in der Kehle. 
Ich hob ihn höher empor, noch einmal traf 
mi'ch ein dankbarer Blick seiner blauen Augen, 
noch einmal flüsterten seine Lippen: „Meine 
Mutter", dann bäumte sich sein Körper em- 
por, streckte sich und lag regungslos in mei- 
nen Armen. 
War er tot? Ich wollte nach seinem 
Herzschlag horchen und öffnete ihm die Uni- 
form und da — da Glänzte mir der unschuldige 
weise Busen eines jungen Mädchens entge- 
gen — Karl Hüber, mein tapferer Kamera! 
war ein Mädchen! 
„Ja Kinder", so schloß mein Großvch 
leine Erzählung, „es hat damals mehrere [sj 
cher Heldenmädchen in der Armee gegebx 
und ich bin der Ueberzeugung, wenn DeW 
land wieder einmal um seine Ehre, um sc« 
Freiheit kämpfen müßte, daß jene Heldinm 
von 1313 nicht ohne Nachfolgerinnen bleib« 
werden. 
Ich schlug die Tote sorgfältig in mei« 
Mantel und trug sie zu dem nächsten La» 
rett. Das Kreuz nahm ich an mich, ch 
ich konnte ihren Auftrag nicht erfüllen,- nf 
mand kannte ihren Mädchennamen, alle Rat 
forschungen blieben erfolglos, und so behii 
ich das Kreuz von meinem blondlockigen Ä 
meraden, von der Heldin von Möckern. 
Ein Wahrzeichen soll es meinen Kitttoii 
und Enkelkindern sein, der echten, heldemi 
tigen, opferfähigen Vaterlandsliebe!" ! 
Der alte, freiwillige Jäger von änno 181 
streichelte zärtlich das kleine goldene Kreuz m 
die zerrissene Kette, und wir Kinder und Ei 
kel gedachten der großen Zeit, da zarte Fr« 
zu Helden wurden. 
C^O 
Gabriele d'Annunzio. 
S 
ßr 
Eine treffliche Kennzeichnung des italie- 
nischen Kriegshetzers entwirft ein römischer Be* 
richterstatter. Er 
schreibt: „Es ist wirk¬ 
lich ein grausamer 
Hohn des Schicksals, 
daß gerade ein 
Gabriele d'Annun- 
zio heute den 
kriegsstrebenden Teil 
des italien. Volkes 
verkörpert und ver- 
sinnbildlicht hat. An 
diesem Manne mit 
dem geilen Gesicht 
und dem glatten 
Wüstlingsschädel ist nichts, aber auch gar 
nichts italienisch; beschimpfte er doch durch seine 
ganze moralische Erscheinung jenes markige 
Abbruzzenvolk, von dem er sich artfremd, im 
wahrsten Wortsinne: entartet, abzwch 
In diesem Manne wird der Patriotism 
zur Phrase und dann zu Geld, weil « 
seit jungen Jahren das Weib zur Phm 
ward und zur klingenden Münze. Er f 
ein Wortkünstler wie wenige vor üji 
Aber alles ist ihm nur Material für sei» 
Wortfiligrane: er fühlt für das Vaterlak 
nichts, das er besingt, so wenig wie er st 
die Frauen gefühlt hat, die er in seinen i 
meinen der Eier des Publikums Nackt pm 
gibt. D'Annunzio, ist international im schlei 
testen Sinne, vaterlandslos wie die Hefe « 
Großstadt, wie das Schmarotzergeschmeiß W 
Lebewelt. Er kann kein Volk verkörpert 
das sich, sei's auch in einem Irrwahn, z« 
Kriege orängt: er verkörpert den KrebsW 
den aller Völker, den alle abstoßen tnif 
sen: den sterilen Egoismus der GenuW 
und Ausbeutung." 
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