Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

SS 
der gequälten Brust Franz Lautenhammers. 
„Ha, sollte er es wagen, mein gutes Recht 
mit Füßen zu treten und das Glück unseres 
Lebens mit frevelhafter Hand zu zerstören!" 
rief er bitter aus. „Ja, ihm wird es gelin- 
gen, dem vornehmen Sohne des. reichen Fa- 
brikherrn, der mit stolzer Verachtung auf den 
armen Jäger herabsieht." 
Schweigend verfolgte er dann wieder 
seinen Weg. Vor seinem geistigen Auge zog 
sein ganzes Leben mit all seinen Freuden und 
Leiden vorüber. 
Als sein Vater als Förster in den Markt- 
flecken Eossenreuth versetzt wurde, zählte er 
erst vierzehn Jahre. Damals hatte er sich 
gefreut, in der kleinen Helene Bork, der Toch- 
ter des Nachbarförsters im Dorfe Weissensee, 
eine liebe Spielgenossin zu finden, und mit 
der Zeit wurde aus dem Verhältnis der bei- 
den Binder zu einander innige Freundschaft. 
Dann nahte die Trennung. Franz bezog die 
f orstschule und legte ein Jahr später mit 
rfolg seine Prüfung ab. Nachdem er seiner 
Militärpflicht genügt, blieb er noch ein Jahr 
in der Fremde und bekleidete bei einem sei- 
nem Vater befreundeten Förster die Stelle 
eines Waldaufsehers. Dann aber sehnte er 
sich nach der Heimat zurück, nach den Eltern, 
nach Helene. Die Freude des Wiedersehens 
mit seiner einstigen Spielgefährtin war groß? 
und von dieser Zeit an begann die Freund- 
schaft beider in ein stärkeres Gefühl inniger 
Liebe überzugehen. 
So verging ein Jahr und noch eins. 
Franz, der jetzt Forstgehilfe seines Vaters 
geworden war, harrte mit Sehnsucht des 
Augenblickes, ws er zum Forstwart befördert, 
seiner Helene ein eigenes Heim zu bieten 
vermochte. 
Doch mit des Geschickes Mächten 
Ist kein ew'ger Bund zu flechten. 
Schon bei seiner Rückkehr in die Hei- 
mat hatte er mit Erstaunen bemerkt, daß 
während seiner Abwesenheit von Eossenreuth, 
dort eine große Ziegelbrennerei errichtet wor- 
den war. Auf Befragen erzählte ihm sein 
Vater, daß ein Kaufmann namens Miesbach, 
kurz nach Franzens Abreise, dicht bei Gossen- 
reuth ein sehr ergiebiges Lehmlager entdeckt, 
dieses sofort gekauft und dann eine kleine 
Ziegelbrennerei errichtet habe, die sich vor- 
trefflich rentierte. Dann hatte Miesbach seine 
Fabrik nach und nach vergrößert und konnte 
jetzt einer sorgenfreien Zukunft entgegenblicken. 
Franz freute sich über den guten Erfolg des 
Unternehmens und machte auch bald darauf 
die Bekanntschaft des mit ihm gleichalterigen 
Sohnes des Fabrikbesitzers. Die jungen Leute 
kamen oft zusammen, um sich über Jagd W 
Wald zu unterhalten, denn Hans Miesbach 
war ein aufrichtiger Naturfreund. Durch Franz 
lernte nun der junge Miesbach auch Helene 
Bork kennen, und obgleich er ihr Verhältim 
zu Franz wohl kannte, regte sich doch in 
ihm der Wunsch, das schöne Mädchen für 
sich zu gewinnen. So erstand Franz Lauten- 
Hammer in Johannes Miesbach ein gefähr- 
licher Nebenbuhler, der mit der Aussicht ans 
Reichtum und glänzende Stellung die Sinne 
des sonst so biederen Försters Bork betörte, 
„Ja, seitdem der im Forsthause ver- 
kehrt", murmelte der junge Jäger draußen 
im einsamen Walde vor sich hin, „scheint der 
Alte mich immer mehr zu vernachlässigen. Den 
Schmeichelreden des Fremden leiht er ein toiI< 
liges Ohr. Das habe ich auch heute erst 
wieder erfahren müssen, als ich im Forsthanse 
war. Vielleicht kam Miesbach sogar absicht¬ 
lich zu gleicher Zeit mit mir zu Borks, um 
vor meinen Augen Helene den Hof zu machen. 
Bitteres habe ich da genug erleben müssen. 
Ach, wäre dieser Mensch doch niemals hier- 
hergekommen. O. ich hasse ihn. ich könnt! 
ihn vernichten, ihn. den Räuber meines Eliik- 
kes. Ich könnte ihn töten, wahrlich, ich —* 
Ein krachender Donnerschlag lieh ihn zusani- 
menfahren und erschreckt Halt machen. Dicht 
neben ihm hatte der Blitz eine hohe Taniu 
gespalten. „Himmel, war das ein Schlag" 
kam es von seinen Lippen. „Ja", fuhr er 
erregt fort, „heule, du Sturm, krache, allge- 
waltiger Donner, zucke nieder, blendender 
Strahl, so ist's recht, das paßt genau zu 
meiner verzweifelten Stimmung." Und grell 
auflachend, verfolgte er wacker seinen Weg 
durch das Toben der Elemente in dem sin- 
steren Walde. 
Und fort und fort wütete das furcht- 
bare Unwetter mit herniederströmenden Re- 
gengüssen, krachendem Donner und fahl durch 
die Dunkelheit leuchtenden Blitzen. Doch 
horch! Was ist das? Das war nicht die 
gewaltige Stimme des Donners, nicht das 
Brausen des dahinfegenden Sturmwindes. Ein 
anderer Ton, scharf, wie der Knall einer 
Büchse, hallte im Toben der Elemente M 
undeutlich vernehmbar durch den Forst. 
Wer hatte geschossen, und was bezweckte 
der Schuß in des Waldes Tiefe jetzt in dum- 
ler Nacht? 
II. 
Am anderen Morgen herrschte in d« 
Villa des Ziegeleibesitzers Miesbach grobe 
Aufregung. Der einzige Sohn des Haus« 
war am Nachmittage des verflossenen ,Ta° 
ges ausgegangen und bis jetzt noch nicht
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.