Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr 1917 (1917)

„Ein Landsmann ... ein Jugendfreund 
aus unserem thüringer Städtchen. Herr Dok- 
tor, bitte, geben Sie mir ihn zur Pflege!" 
„Gern, denn ich begreife Ihr doppeltes 
Mitgefühl." 
Bewußtlos liegt Werner Frohmann mit 
geschlossenen Augen in dem sauberen Bette. 
Der Arzt hatte ihn noch denselben Abend 
versucht. Als er vom Bett zurücktritt, folgt 
ihm Schwester Helene. Ihre Blicke sprechen 
mhr denn Worte. So 
ernst schaut der Arzt 
aus. Nun nickt er ihr 
schwer zu und sagt: 
„Schwester He- 
jene! Ihr Lands- 
mann wird nicht mehr 
lange ihrer Pflege be- 
dürfen. Schuh in die 
Lunge. Vielleicht noch 
bis morgen abend. 
Dann ist's aus. Er 
roirb es kaum ahnen, 
tnenrt er aufwacht. 
Seien Sie ihm Trö¬ 
sterin." 
Helene hat die 
eine Hand an einen 
Bettpfosten gekämpft. 
Sie zittert am ganzen 
Leibe. Noch ein paar 
Augenblicke, dann hat 
sie es überwunden. 
Gefaßt waltet sie wei- 
ter ihrer Pflicht. — 
Am anderen Mor- 
gen, die Sonne sen¬ 
det so fröhliche 
Cchrägstreifen durch 
den Krankensaal, da 
Wägt Werner Froh- 
mann die Augen auf. 
Sie gehen zur Decke, 
te schweifen wie ta¬ 
ten!) umher, um end- 
ich auf einem blassen 
»esicht haften zu blei- 
>m, das sich milde, anteilsvoll über ihn halb 
>eugt. Da geht es wie aufwachendes Leuch- 
D. wie ein Erkenntnis über das Gesicht des 
-lvtgezeichneten. Er läßt die Lider schwer 
Wen und seine Lippen murmeln halb hörbar: 
„Bin ich daheim? Wo der Wald rauscht? 
«?r das nicht Helene Aschenbach? Wo sind 
Mine Kameraden? Träume ich nur?" 
„Nein, Werner, du träumst nicht! Ein« 
ß der dir, dir zu helfen, damit du den Weg 
A die Heimat finden sollst!" Schmerzvoll 
megt dabei ihr Blick hinaus m de» strah¬ 
lenden Himmel. Dann lächelt sie wieder. Den« 
der Schwerverletzte hat die Augen jetzt weit 
aufgeschlagen. Er tastet nach ihrer Hand. 
Freude bricht aus seinen Zügen. Er hält 
ihre Hand fest und flüstert: 
,O, das ist gut. o. das ist gut! Nu« 
und!" 
einem Ende zu. Letz« 
bt durch den hohen 
„Hier kann ich es dir ja sagen: geliebt 
habe ich dich seit langem. Heiß und tief." 
werde ich auch bald ge 
Der Tag neigt sich . 
ter goldener Glanz we 
Raum. Schwester Helene sitzt wieder am Bett 
des Jugendfreundes. 
Sie fühlt es. daß des. 
sen Leben nur noch 
von Minuten vielleicht 
abhängt. Werner 
Frohmann läßt ihr« 
Hand nicht mehr los. 
..Ist das schon, 
dir so nahe zu sein. 
Immer war dies mein 
Wunsch. Warum soll 
ich es nicht sagen?" 
..Noch einen lie¬ 
ben Krüh Hab' ich dir 
auszurichten, Werner. 
Deine Walzerkönigin 
hat ihn mir aufgetra» 
gen. Sie denkt gar 
oft an dich." 
Ein Lächeln glei- 
tet über die Züge des 
Kranken. 
„Martha Küst- 
ner! Ja, ja, sie tanz- 
te so gut. so leicht! 
Ein liebes Mädel. 
Eine Lachtaube!" 
Kleine Pause. Hastig 
geht der Atem aus 
der wunden Brust. 
..Helene, warum bist 
du nie zum Tanz ge- 
kommen. Ich... ich 
hätte noch weit lieber 
mit dir getanzt .... 
du hast mir immer 
gefehlt .... immer» 
Helene!" Mühsam wendet er etwas den Kopf. 
Die glänzenden Augen überstreifen ihr Ge- 
sicht. ,.Hier kann ich es dir ja sagen: geliebt 
habe ich dich seit langem. Heiß und tief. 
Setzte alles auf die Zukunft. Sind wir erst 
wieder daheim . . 
Tiefer beugt sie sich über den Mann 
ihres Herzens. 
Leiser wird dessen Stimme. 
„Und du, Helene?" 
„Du warst meine Hoffnung im Still»«! 
Mem ganzes Herz gehörte dir!"
	        
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