Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr.... (1916)

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rer 'Zunge in gebrochenem Deutsch, „muh man 
Bein sich ausreihen, um zu fangen freches 
iToldatenpruh. Sag. alter Bock, wo steckt 
sich Pruh euriges? Russisches Soldat hat 
ihn doch kaput geschossen halb." 
Der alte Löffelholz machte ein verdrieh- 
liches Gesicht, überlegte einen Augenblick und 
erwiderte dann mit drolliger Entrüstung : 
„Nu nee, nu nee! N' Preuhe? Hier 
ist doch kein Preuhe." 
„Du lügst, du Hund!" brauste der Offi¬ 
zier auf und holte mit seiner Reitpeitsche 
zum Schlage aus, um sie aber gleich dar¬ 
auf wieder sinken zu lassen, „gleich sagst, 
m steckt Verräter, oder —" 
„Sie irren, mein Herr!" fiel in diesem 
Augenblick die ruhige Stimme des Försters 
ein, der mit mühsam erzwungener Gleichgül¬ 
tigkeit die Treppe herniedergestiegen kam und 
seinen Arm schützend um Annes Schulter ge¬ 
legt hatte: „Mein Haus verbirgt einen Ver¬ 
räter nicht." Der Russe war ein Fuchs, der 
sich nicht täuschen lieh. Hinter seinen satten, 
fettgepolsterten Aeuglein blitzte es verschmitzt 
auf und, zu den Soldaten gewendet, fuhr 
er fort: „'Allons, sucht ihr Spürhunde! 
Und zehn Rubel setze ich auf seinen Kopf!" 
Da fuhren die Kosaken wie die wildge- 
uwrdenen Bestien durcheinander, durchschnüf¬ 
felten das ganze Zimmer und kehrten alles 
um, was nicht niet- und nagelfest war. Einer 
von ihnen wollte die Wendeltreppe empor¬ 
steigen. Doch der Förster vertrat ihm den 
Weg und erklärter mit sicherer Stimme: 
„Nein, lieber Freund, das geht nicht 
weiter." 
Der Russe stutzte einen Augenblick, 
fletschte hämisch die Zähne und packte plötz¬ 
lich den Ahnungslosen an der Kehle, um ihn 
gewaltsam zu Seite zu drängen. Der För¬ 
ster aber war ein kräftiger Mann, und ehe 
sein Angreifer sich's versah!, hatte er ihn mit 
geschicktem Griff zu Boden geworfen. Ein 
unbeschreiblicher Tumult war die Folge. Al¬ 
les stürzte sich auf ihn und rih ihn nieder. 
Die Anne wollte ihm beistehen, aber sie 
wurde brutal zur Seite geschleudert. Da lo¬ 
derte in ihrem Busen ein wilder, verzweifel¬ 
ter Zorn auf, sie trat bebend vor den Offi¬ 
zier hin, der mit gezogenem Degen die Vor¬ 
gänge verfolgte, und stieh in ihrer mühsam 
unterdrückten Erregung hervor : 
„Was tut Ihr, Anmenschen! Ihr packt 
diesen Mann, der Euch Gutes tun will! Ihr 
seid so-dumm, daß Ihr nicht seht, wie über 
Euren Häupten schon der Tod schwebt. Kaum 
R»ei Meilen von hier stehen die Preußen. 
Der Soldat, den Ihr sucht, wird nicht al¬ 
lein kommen, das glaubt mir. O, ich weiß, 
wo er steckt, ich weih es! Wo gehört er 
denn hin? Wo ist denn sein sicherstes Ver¬ 
steck? Geht Euch setzt eine Ahnung auf? 
Sucht ihn da, wo er hingehört, bei seinen 
Brüdern vor dem Dorfe, aber nicht hier! 
Wenn Ihr schnell zu Fuße seid, werdet Ihr 
die ahnungslosen Preußen noch überfallen 
können. Kommt, ich bin nicht feige, ich zeige 
Euch den Weg, wie Ihr ihnen in den Rücken 
fallen könnt. Wißt Ihr, da an der Weg¬ 
kreuzung vorüber, da weiter den schmalen Pfad, 
wo der Bauer Junghans seinen Äcker hat. And 
weiter da — da ist der rechte Weg für Euch —" 
Sie hatte geendet und tastete erschöpft 
nach einem Halt. Ihr von hektischer Röte 
überzogenes Gesicht hatte einen visionären 
Ausdruck angenommen. Wie eine Heldin blieb 
sie unverrückt inmitten der gierigen Meute ste¬ 
hen. So groß hatte die stille Anne noch keiner 
gesehen, so groß und wunderbar in ihrem Han¬ 
deln. und ihrer Sprache. Es war, als habe 
eine mächtige, unsichtbare Gewalt ihrem Ent¬ 
schluß Flügel verliehen. 
Roch nie hatten die Russen ihre Beute so 
schnell im Stiche gelassen wie jetzt, schon in 
wenigen Minuten wirbelten ihre Trommeln 
zum Abmarsch durch den Ort. Die Anne aber 
nahmen sie in ihre Mitte und führten sie mit. 
Rur der Offizier bekümmerte sich noch um 
den Förster, der gebrochen am Boden lag, 
und stieß ihn beim Abgehen mit nachlässiger 
Gutmütigkeit an: „Dummkopf altes, warum 
hast du nicht gesagt! Sieh dir an dein Täub¬ 
chen, deine brave Frau!" — 
Als er das Zimmer verlassen hatte, kam 
der alte Löffelholz aus seinem Versteck gekro¬ 
chen und beugte sich mit seinem kurzen Atem 
über den armen Sohn, durch dessen geschla¬ 
genen Körper ein anhaltendes konvulsivisches 
Zucken lief, so daß er nicht fähig war, sich zu er¬ 
heben. 
„Weißt du, Willm, wo die — wo die 
Anne —?“ 
„In die Sümpfe, Vater, in die Sümpfe!" 
schrie er irr auf. — 
Der Abzug der Russen hatte dem versteck¬ 
ten Reiter die erwünschte Gelegenheit gebracht, 
zu seinem Regiment« zurückzueilen und Mel¬ 
dung des Vorgefallenen zu machen. Und kaum 
eine halbe Stunde später trabten preußische 
Ulanen durch den Ort und fielen den ahnungs¬ 
losen Russen, die den Feind vor sich vermute¬ 
ten, in den Rücken. 
Doch von alledem wußte der Förster 
nichts. Schwarze Nacht hielt seine Sinne um¬ 
fangen, und als er endlich unter der sorgsamen 
Pflege einer sachkundigen Hand langsam wie¬ 
der zu sich kam, da war sein Zimmer mit
	        
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