Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr.... (1916)

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beugt er sich mit einem Ruck nieder und 
stöbt plötzlich vor freudiger Ueberraschung 
einen Schrei aus. „Da sieh — ein Bril¬ 
lant!" Das Weib läßt den Sack am Bo¬ 
den und steht neben ihm- Sein Licht fällt 
gerade mit breitem Schein auf den vor ihm 
Liegenden. Ein junges Gesicht, blast, vor 
Schmerz verzerrt, aus dem die braunen Augen 
erstaunt, hilfeflehend aufblicken, liegt im 
Lichtschein. Die Hand mit dem Ring, der 
die Äugen des Bauern auf sich gezogen hat, 
liegt platt und tot auf dem Boden. Der 
Bauer hebt sie auf, hält sie und zerrt am 
Ring. Ueber das Gesicht des Ulanen fliegt 
ein Zucken. Das Weib. dessen Augen an 
dem jungen Menschen unverwandt hängen, 
stößt den Bauern an die Schulter: „Er ist 
noch nicht tot!" „Dann soll er's werden!" 
Und mit einem derben Griff will er ihm 
an den Hals fahren. Das Weib aber hält 
ihn, von einem plötzlichen Gefühl beherrscht: 
„Last ihn. Du bekommst den Ring auch so!" 
Der Bauer stößt sie fort und reißt wieder 
am Ringfinger. Da aber hebt sich mit 
plötzlichem Ruck der Ulan. Der andere 
Arm ist noch heil. Auf ihn stützt er sich 
— auf — auf —. Der Bauer wirft sich 
auf ihn, ringt mit ihm, wirft ihn zu Bo¬ 
den. Aber das junge Leben unter ihm kämpft 
einen verzweifelten letzten Kampf — das 
Weib sieht zu, bestürzt, fassungslos, ge- j 
lähmt — sie will zuspringen, aber etwas hält 
sie zurück — sie greift nach dem Sack, ihr«! 
Hände schließen sich um die Kostbarkeiten — 
da flammt es auf — irgendwo im Dorf. ' 
Eine Rauchwolke von Flammen durchblitzt | 
steigt auf — noch eine quillt aus ein« i 
Scheune — Flammen springen au| das Dach ! 
— laufen am First entlang — jetzt sprüht 
eine Garbe empor wie bei einem Feuerwerk 
Das Weib blickt auf das neue Schau-! 
spiel und vergißt einen Augenblick den Kamps 
vor sich. Der Bauer sieht nichts als den 
Feind, den verhaßten Preußen, der ihm den 
Ring nicht geben will. Er ist wie ein wil¬ 
des Tier, dessen Beute sich wehrt. Sein! 
Weib ruft ihm zu, er hört nicht. Er sieht 
nicht die Feuer ausiodern. Er hört auch 
nicht den Trompetenruf, hell und klingend, 
ein Siegesschrei' aus silbernem Mund, dessen 
Ton sein Weib mit Schrecken erfüllt. „Dü 
Preußen!" ruft sie entsetzt, läßt den Beute¬ 
sack fallen und stürzt davon. „Die Preu¬ 
ßen!" schreit der Ulan, ein Schrei, der ihin 
die Brust sprengt, und damit krampst sich 
seine Hand um den sehnigen Bauernhals wir 
ein Schloß — er fühlt, wie etwas schwer, 
verröchelnd, leblos fält — auf ihn, neben 
ihn und noch einmal ruft er. daß es durch 
die Nacht gellt: „Hurra, die Preußen!" 
Humor unserer Soldaten. 
Es wird uns geschrieben: Der langanhal¬ 
tende schreckliche Krieg vermag trotz seiner 
Grausamkeit den Humor unserer Soldaten 
nicht zu untergraben. Unzählige Briefe haben 
dies schon bewiesen: viele einfache Soldaten 
schildern sogar ihre Erlebnisse in Versen. Wenn 
auch diese nicht den Kunstregeln der Poetik 
entsprechen, so zeigen sie doch die gute Laune 
unserer Marssöhne. Namentlich die Läuse- 
plage wird immer wieder „besungen". So 
leistet sich der Gefreite der Divisionsbäckerei 
Nr. 3 Georg Erenberger aus Klamm hierüber 
ein ganz gelungenes Poem. Er schreibt: 
„Leise, ganz leise, juckt's im Gewand — 
Wo ich auch ging und wo ich auch stand. 
Wenn ich auch kratze, so viel ich nur kann, 
Immer fängt's wieder zu beißen wo an. 
Nur das eine mich tröstet, es geht jedem gleich, 
Hoch oder nieder, arm oder reich. 
Offiziere wie Mannschaft, alles verlaust. 
So daß einem wirklich davor manchmal graust 
Nun wär's bald Zeit, daß wir kommen am 
Ziel. 
Sonst fressen uns d'Läus mit Butzen und mi! 
Stiel. 
Jetzt mache ich Schluß, einen Punkt noch dazu, 
Denn die Läus geben schon wieder keine Ruh."
	        
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