Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr.... (1916)

stöhnend mit den verstümmelten Fingern der 
Linken durch das blonde Ringelhaar. 
„Rechtschaffen heiß is's . . 
Von der Bank aufstehend, fragt sie be¬ 
flissen: „Magst a Milli . . .?" 
„Strapazier' dich net, wannst kei Bier net 
hast", lacht er. „Bleib' sitzen, sonst mein' ich, 
es is dir net recht, datz ich zug'kehrt bin . . 
„Ich kann dir's Dableiben net verbieten", 
ibt sie schnippisch zur Antwort und bleibt 
ehen. Er schaut mit hündischem Blick zu ihr 
auf. 
„Sei net so beitzig, Dirndl . . . Net nur 
mt verbieten sollst mir's Dableiben, gern sehen 
Mist es . . . Oder is es dir leicht net recht . .?" 
„Gradaus, na", erwidert sie ehrlich und 
Jaffenb, datz er nun gehen wird. macht sie sich 
reim frischgemähten Heu zu schaffen, das wie 
Zeide rauscht. Aber der Balthes denkt nicht 
Ms Fortgehen. 
„Balst mir doch einen Weidling Milli 
bringen tatst", sagt er bittend und ignoriert, 
Hatz sie es widerstrebend tut. Wie sie die Milch- 
chüssel vor ihn hinsetzt, hascht er nach ihrer 
Sand und fragt demütig: „Was hast gegen 
Md), sag' . . 
„Was ich hab'? Scheuen tu' ich dich, wie 
ssdes einen Wildling scheut. Hast schon wieder 
4nen Stutzen zum Abschrauben bei dir? Langt 
Mr der Denkzettel an deiner Linken noch net?" 
„Ich gib sie net her für eine g'sunde Hand, 
» . . .", fällt er ihr ins Wort. „Die hat 
mch militärfrei g'macht . . ." 
„Eine schöne Schand' für so einen jungen 
ösumstarken Kerl wie du. daß er als bestrafter 
Milddieb sein Vaterland nimmer verteidigen 
rann", entgegnete sie verächtlich. „Wird schon 
Ne rechte Hand auch bald hin sein, wenn dich 
Per Jäger im Gamskar trifft . . 
„Da kommt's erst noch drauf an, bei 
mem's zuerst knallt . . ." 
Furchtbar drohend schaut ihn die Afra 
fbtmm an. 
„Iessas, Jessas, datz mir nur mei Milli 
Net sauer wird bei dem bösen Blick", sagt er 
forciert heiter und rückt ängstlich von ihr ab. 
Dann fügt er belehrend hinzu: „Das Wild ist 
frei. . . Erst das Gesetz hat's Niederknallen 
.jätn Verbrechen g'macht. Wenn ich als reicher 
Müller net aus Not. sondern aus Passion 
Weidgerecht im Revier a bisserl pirschen geh', 
so wird das so grob net g'fehlt sein . . . Aber 
Pas verstehst du halt net. . ." 
„Das machet nir, wann ich's net versteh'. 
Ich versteh' ja die Mess' auch net und kann 
doch dabei beten. Aber dein Gered' taugt nir', 
Schrofenmüller das fühl' ich inwendig. Und 
das sag' ich dir — dem Forstg'hilfen, dem 
Äoisl balst was antust!" 
Der Bauer pfeift durch die Zähne und 
feine Augen leuchten tückisch auf. „Blast der 
Wind aus der Ecken? Soso, der Loisl! Dem 
g'schiet schon nir. Der pirscht und schietzt jetzt 
anderswo umeinand . . ." 
Verständnislos und angstvoll zugleich 
starrt sie den Bauern an. Der weidet sich an 
ihrer stummen Qual. Dann fragt er zynisch: 
„Ja. hat er denn net Zehrgeld bei seinem 
Schatz genommen, bevor er in's Feld zogen 
is . . .?" 
„Waaaaas?" Aufkreischend hält sich die 
Afra den Kopf „Ins Feld sagst? Ham denn 
mir einen Krieg . . .?" 
Es will etwas wie Mitleid über seine ver¬ 
witterten Züge huschen, datz die Zusammen¬ 
gebrochene in ihrer Bergeinsamkeit gar nichts 
gehört hat von den politischen Ereignissen, die 
ihr das Liebste rauben. Aber die Schaden¬ 
freude erstickt die edle Regung. Triumphierend 
zieht er ein Zeitungsblatt hervor. 
„Siehst, da steht's: . . . Die eisernen 
Würfel sind gefallen. Der Kaiser ruft. Die 
Armee, die zweimal in schweigendem Gehorsam 
das halbgezückte Schwert wieder in die Scheide 
gestotzen hat, folgt jubelnd der Habsburger 
Fahne . . . Mit klingendem Spiel sind heute 
unsere mobilisierten Jäger zu Pferde an die 
feindliche Grenze gerückt . . . Hast das wirk¬ 
lich net g'wutzt, Afra, datz wir Oesterreicher 
Krieg führen gegen Serbien. . .?" 
Die Afra schüttelt den Kopf und stiert vor 
sich hin. Er ist fort! Ohne Abschied, — ohne 
Verzeihung . . .! Das sonst starke, mutige 
Mädchen kann es nicht hindern, datz ihr dicke 
Tränen über die Wangen laufen. Der Balthes 
tröstet sie rauh. 
„Wein' net, Madel. Denjenigen, die sich 
was zu Herzen nehmen, geht grad ertra nir 
naus. Und der Loisl oerdient's net. Wie er 
den gelben Zettel mit der kaiserlichen Botschaft 
kriegt hat. hätt' er leicht noch heraufkommen 
können, dir b'hüt Gott sagen. Ich hätt's getan. 
Ich tät' mich zerreitzen um a lieb's Mörtel von 
dir und um einen Händedruck . . ." Die Afra 
überhört den Werbeton und jammert. 
„Der Loisl im Feld . . .! Wär' doch ein 
And'rer an seiner Stell', um den's Derschietzen 
net schad wär . . ." 
Mühsam bezwingt der Balthes seinen 
Zorn. 
„Schau, schau, wie du jetzt auf einmal 
daherredst . . .! Vorhin hast mich derbleckt, 
datz ich militärfrei bin und jetzt dürft' ich gar 
tauschen mit deinem Schatz . . . Geh, sei 
g'scheit, Afra. Latz die Jager und Soldaten 
und nimm dir einen g'standenen Bauern. ....
	        
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