Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr.... (1916)

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halb getröstet und er freute sich auf ein an¬ 
ständiges „Duför", denn es taten ja viele 
Me Leute mit. . . 
Aber es ist ganz anders gegangen. Schon 
über die zackigen Wandeln herüber hat der 
Herr ihn angeschrien, er solle nicht so jammern 
wegen einer lumpigen Fleischwunde . . . Ob¬ 
gleich der Leitner das Gelenk nicht mehr hat 
rühren können. Der Forstwart legte einen 
Notverband an und Herr Wurzer fuhr in die 
Tasche und hat nach langem Zögern dem An¬ 
geschossenen --zehn Kronen auf die schwie¬ 
lige Rechte gelegt. 
„Wär' schon hübsch wenig für den vielen 
„Wehdam", meinte Anderl bescheiden. Und 
die Kugel war ja noch drin. Der Herr möge 
«och was zulegen, meinte auch der Forsiwart. 
Ls könnt ja eintreffen, daß der Arm steif 
blieb. . . 
Aber nir ist dem Herrn so zu Herzen ge¬ 
gangen, als daß er mehr zahlen sollte. Kirsch¬ 
rot vor Zorn ist er worden, — plötzlich aber 
sind ihm Tränen in den Augen gestanden und 
er hat Lettners gesunde Hand ergriffen: 
„Glaube mir, Bursch," hat er gesagt, „ich gäbe 
dir das Zehnfache, wenn ichs hätte. Aber ich 
bi» selber ein armer Teufel . . ." 
Da haben die zwei keinen Muckser mehr 
getan. Armut tut in jedem Stande weh. Und 
mim einer nir hat, nachher sind zehn Kronen 
schon sehr viel. 
Wenn nur der Arm nicht wirklich steif 
geblieben und es nicht aufgekommen wär', datz 
der Herr Wurzer ein schwerreicher Mann war, 
aber geizig, schmutzig geizig! Da ist dem Anderl 
der Zorn geschwollen. So ein Schuft! Weint 
iinl zehn Kronen! Bringt einen armen Tropf 
um Verdienst und gesunden Arm und kümniert 
sich mr! Verklagen hätt man ihn sollen! In 
den Zeitungen umeinanderziehen! Aber ihm 
war's zuwider, seine Hilflosigkeit in alle Welt 
hinauszuschreien . . . Und heut nun lieferte 
sich der Feind ahnungslos in seine Hände. 
Schweigsam wanderten die zwei durch Zir¬ 
belholz. Wucherkraut, Geröll und verwickeltes 
Gelände und Ueberhänge der Grathöhe zu, 
die bewachsen genug war, datz das Gams- 
wild noch Aesung fand. 
„Ist das ein mühseliger Aufstieg," stöhnte 
der dieses Terrains unkundige Wurzer und 
blieb zitternd und schnaufend immer häufiger 
stehen. 
Erbarmungslos trieb ihn Anderl weiter. 
Mit steifen, ausgefrorenen Händen klammerte 
>>ch der Jäger ans glatte Gestein. Rauher 
Novemberwind jagte ihm spitze Eisnadeln 
ins Gesicht. Die Fütze drohten zu versagen. Den 
Anderl freuts. Vor lauter Schadenfreude 
friert's ihn gar nicht. Vergnügt bemerkt er die 
blutig zerrissenen Finger seines Begleiters. 
„Und dabei habe ich bis jetzt noch keine 
Krücke gesehen," seufzt Wurzer. 
Hast früher Gams und Treiber mit einem 
Schutz troffen, — kannst auch einmal im un¬ 
bevölkerten Revier pirschen geh'n, denkt Leitner 
ungerührt. 
Noch einmal in gefahrvoller Steigung 
über ein vereistes Band, das jäh abfüllt zu 
des reihenden Wildbachs tiefem, schaurig-schö¬ 
nem Schluchtenbett. Dann endlich letztes 
Hinaufturnsn zur Grathöhe! 
„Ich kann nicht mehr. . .! Und ich ver¬ 
gehe vor Durst. . .!" 
„Da drüben steht Krickelwild." sagt An¬ 
der! gleichgültig und sieht des todmüden Jä¬ 
gers Augen habgierig aufleuchten, seine er¬ 
matteten Kräfte neu erstehen. Kniestemmend 
müssen sie sich aufwärts schieben, mit den Hän¬ 
den vorgreifen, den Körper nachziehen, durch 
eine Rinne ewigen Schnees kriechen. Nun find 
sie auf Schußweite von dem Rudel entfernt, 
das vertraut äst. Etwas abseits steht der Bock. 
Plötzlich sichert er. Noch ein Gedanke und der 
Widerrist mit dem prachtvollen Bart taucht 
in die Runse. Das darf nicht geschehen, denkt 
der Geizhals. Sonst hat er ja gar nichts von 
dieser fürchterlichen Klettertour! 
Ein beherzter Schutz, der den Gams hoch- 
aufwirft, — bort liegt er mit gestreckten Läu¬ 
fen. Der Anderl rührt sich nicht. 
„Wer holt ihn?" erkundigt sich Wurzer 
freundlich. Leitner mißt die Entfernung. 
„Ich — wenn Sie mir noch einmal zehn 
Kron.en geben." 
„Wieso noch einmal?" Wurzer erinnert 
sich noch immer nicht. 
„Sie sind wohl verrückt?" 
„Ich brauch ja den Bock net," entgegnet 
Anderl achselzuckend und will weiter. 
Aber Wurzer möchte die kostbare Beute 
haben. Und der Bursch flötzt ihm Mißtrauen 
ein. „Alsdann . . . Meinetwegen . . ." 
„Aber bitt schön im voraus, Herr Wurzer. 
Es möcht' Sie sonst wieder gereuen ..." 
Peinlich erstaunt, seinen Namen zu hören, 
trennt sich Wurzer unverzüglich von zwei 
Scheinen. „Das ist alles, was ich bei mir 
habe." erklärt er weinerlich und hält seine 
Tasche ängstlich zu. 
„Wir wissen's schon," damit schiebt der 
Anderl gelassen das Geld ein. — 
So. Nun liegt der Bock vor der Riegel- 
alm. Wurzer klopft an dis Scheiben. Kein
	        
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