Volltext: Kriegs-Kalender für das Jahr.... (1916)

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und Obdach gegen Wind und Weiler und 
W sein scharfes Auge spähend gegen We¬ 
sten schweifen. 
Eine volle. Stunde starrt er in das leere 
Dunkel, nichts kann sein Auge entdecken: 
doch plötzlich ist es ihm, als ob sich das 
Geräusch eines galoppierenden Pferdes ver¬ 
nehmen ließe. Gespannt horcht er auf — 
ct täuscht sich nicht, immer näher und näher 
tönt der Aufschlag, und 
jetzt sieht er um die 
nächste Biegung einen 
Netter sprengen mit 
liefgehaltenem, vorge¬ 
beugtem Kops, um die 
Gewalt des Windes 
besser zu verteilen. 
Noch einige Sekunden 
- unser Wanderer 
springt auf und hängt 
dem Pferd in den Zü¬ 
geln. Der Reiter starrt 
erschrocken vor sich hin, 
doch schon fühlt und 
sieht er das Pistol 
des Räubers vor feiner 
Brust: er will noch 
nach den Waffen grei¬ 
sen; aber in demselben 
Augenblick Zerrt ihn 
sein Gegner aus dem 
Latte!, daß er jäh zu 
Boden stürzt und vor 
Lnisetzen in Ohnmacht 
fällt. 
Nach einer halben 
Stabe schlügt der 
verfallene die Au¬ 
gen auf: er liegt im 
tiefen Heidekraut und 
vor ihm steht sein 
treuer Wallach. All¬ 
mählich wird ihm seine 
Äge klar: ein Räu- 
«er überfiel ihn, um 
„Mein Barer", beben 
vielleicht sein Geld in dessen Armen. --- 
äu. nehmen? Er steht 
out, durchsucht den Mantelsack und findet 
wie mitgenommene Summe gänzlich un- 
Whrt, selbst seine Waffen hängen noch am 
saitelzeug, nur eins fehlt: das Todesurteil 
»an Sir John Cochrane. 
Der sechste Abend dämmert seit dem 
verfalle auf der Tweedmouther Heide über 
oamick nieder. Die Sonne geht eben zur 
Küste. 
Sir Cochrane sitzt am Fenster seiner 
leuchten Zelle und sieht schwermütig vor sich 
hin. Denn was er heute erfahren muhte, 
liegt wie eine Zentnerlast auf seinein Her¬ 
zen. Hat ihn? doch ein Freund aus der 
Stadt geschrieben, dah vor sechs Tagen, an 
dem Abend also, da er seinen Lieben ben 
letzten Gruh gesandt, seihe teuere Gattin von 
den Dienern ohnmächtig aufgefunden wurde 
und seitdem in wirren Fiebertränmen darnie¬ 
derliege, und dah Grizel seit jenem Abend 
bis zur Stunde spur¬ 
los verschwunden sei. 
Noch immer hält er¬ 
den kummervollen 
Brief in seiner Hand, 
während sein Herz 
vor Weh beinahe zer¬ 
springen möchte. Er 
denkt nicht mehr an 
seinen Tod, nein, alle 
seine Gedanken gelten 
nun einzig und allein 
seiner Gattin, seinem 
Kinde. O, wenn er 
sie nur glücklich wühte! 
Wie gern wollte 
er ihnen mit seinem 
Herzblut das Glück er¬ 
kaufen. 2n feinem trü¬ 
ben Sinnen vernimmt 
er nicht, wie im Schlos¬ 
se seiner Zelle der 
Gefängnisschlüssel geht 
und wie die Türe 
sich öffnet. 
„Mein lieber Sohn," 
schallt es mit einem- 
male an sein Ohr. 
Erschrocken fährt er 
auf. 
„Mein Vater," be¬ 
ben seine Lippen, und 
er ruht in dessen Ar¬ 
men. —- 
, . „ Lange liegen Sohn 
fe'nc Lippen und er ruht und Vater sich am 
Herzen. Endlich löst sich 
das Band der Zunge 
und freudig spricht der Vater. Graf von 
Dundonald: „John, du bist frei von Tod 
und Strafe. Mein Freund, der Beichtvater 
des Königs, hat für dich Fürsprache ein¬ 
gelegt." 
Der Gefangene sinkt bei dieser Nachricht 
fast zusammen. 
„Vater," stammelt er. „tausend Dank, dah 
du mich durch deinen Freund vom Henker¬ 
tod errettet .hast." 
„Sohn, nicht mir gebührt der Dank, son-
	        
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