Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

rede heraus, daß er seinerzeit bei einem Patrouillengang von den Franzosen gefaßt und später gezwungen 
worden sei, auf ihrer Seite mitzukämpfen. Anbegreiflicherweise wurde dieser Mann von einem deutschen 
Kriegsgericht nicht zum Tode verurteilt, sondern als „Soldat II. Klasse" einem Strafarbeiterbataillon im 
nördlichen Schleswig zugeteilt. Äier gelang es ihm zu entfliehen und über die Grenze nach Kopenhagen zu 
entkommen, wo er sich einer französischen Nachrichtenstelle zur Verfügung stellte, die ihn als „Agent pro-- 
vocateur" gegen eine, in einem der nordischen Länder schon im Frieden befindliche, amtliche deutsche Dienst-- 
stelle verwandte. 
Eines Tages des Jahres 1917 ließ sich bei dem Militär-Attache dieser deutschen Stelle ein „Schweizer" 
mit Namen Chousserau melden unter der Angabe, daß er für Deutschland sehr wichtige Nachrichten zu über-- 
bringen habe. Sich selbst schilderte er als zu den ersten Gesellschaftskreisen der Schweiz gehörend, eine Vor-- 
spiegelung, die sein unmanierliches Auftreten, sein schlechter Anzug und sein ungepflegter Körper auf den 
ersten Blick Lügen strafte. Auch der Versuch, durch „gebrochenes Deutsch" sich den Anschein des Aus¬ 
länders zu geben, mißlang ihm völlig, da er im Laufe der Unterhaltung schließlich in ein fließendes Deutsch 
verfiel. Am Ende seiner bis dahin inhaltlosen Reden bot er Pläne von englischen Minenfeldern an der 
norwegischen Küste an. Es war für den deutschen Offizier nicht schwer gewesen bald zu erkennen, daß er¬ 
es mit einem gegnerischen Provokateur zu tun hatte, um so mehr, als vor der norwegischen Küste keine 
englischen Seeminen lagen. Am den Agenten ganz zu entlarven, machte ihn der Offizier auf diesen Irrtum 
aufmerksam und korrigierte ihn dahin, daß er wohl die englischen Schutzminenfelder vor Englands Küsten 
meine. Sofort erbot sich der Agent, auch diese mit Kilfe seiner „fabelhaften" Verbindungen beschaffen zu 
können. Er war höchlichst erstaunt, als ihm auch dieses seiner Ansicht nach so sehr verlockende Angebot ab¬ 
gelehnt wurde. Bei seinem Weggang wurde er unbemerkt verfolgt und Photographien. Er verschwand 
zunächst in einem nahegelegenen Papiergeschäft, von dem bekannt war, daß ein Kinterausgang zum franzö¬ 
sischen Generalkonsulat führte. 
Somit war nun der Auftraggeber bekannt und ein offensichtlicher Neutralitätsbruch des franzö- 
fischen Generalkonsuls in neutralem Lande erwiesen. Dieser mißglückte Versuch, seinen Agenten als Ver¬ 
trauensmann in die deutsche Amtsstelle einzuschmuggeln, veranlaßte den französischen Konsul, den „un¬ 
tauglichen" Mitarbeiter schleunigst abzuschieben, was dann auch mit Kilfe eines französischen Torpedo- 
bootes, das — angeblich „in Seenot" — einen der Käsen dieses neutralen Landes auf einige Stunden 
angelaufen hatte, leider gelang. Es führte ihn nach England. Von dort aus ist „Chousserau" noch auf 
den verschiedensten Kriegsschauplätzen als Agent des feindlichen Nachrichtendienstes verwendet worden, 
zuletzt an der italienischen Front. Während der Friedensverhandlungen hat er sich noch als Aufwiegler 
betätigt, wurde dann Obsthändler in Italien, bis er an Lungentuberkulose erkrankte. Krankheit und Keimweh 
ließen ihn schließlich Briefverbindungen mit seinen Angehörigen aufnehmen. Der Briefwechsel kam zur 
Kenntnis der deutschen Behörden; aus ihm ging Tag und Stunde seiner bevorstehenden Rückkehr nach der 
Äeimat hervor, so daß es möglich wurde, ihn bei Ankunft auf dem Bahnhof seiner Vaterstadt zu verhaften 
und im Zuchthaus enden zu lassen. 
Ein trauriges Beispiel schlimmsten Landesverrates deutscherseits, wovon wahrscheinlich noch viele Fälle 
ungesühnt geblieben sind. 
Der Koffer des französischen 
Geheime Dienstvorschriften und Dienstbefehle waren im Frieden stets ein begehrtes Objekt jedes Nach¬ 
richtendienstes, nicht minder auch im Kriege. Die Truppe hatte strengste Anweisungen, allen Toten, Ver¬ 
wundeten und Gefangenen der Gegenseite jegliche Papiere abzunehmen und sie dem zuständigen Nach¬ 
richtenoffizier baldigst einzusenden. Gleichermaßen mußten im Vormarsch Akten und Büchereien feindlicher 
Dienstbehörden sofort mit Beschlag belegt werden. Besonders Postämter wurden im Vormarsch eingehen¬ 
der Antersuchung über etwa zurückgelassenes Post- und Depeschenmaterial unterzogen. 
Im Bewegungskriege haben wir bei dem zum Teil sehr eiligen Rückzüge unserer Gegner und unserer 
schnellen Verfolgung reiche Ausbeute gehabt, die über weitere Maßnahmen des Gegners, über Stimmung
	        
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