Volltext: Kämpfer an vergessenen Fronten

die Meldung gemacht, die Engländer hätten die alte Boma geräumt und gesprengt, er selbst habe eine aus 
der Boma hochgehende Feuergarbe gesehen und den Knall gehört. Die Nachricht war zu schön, als daß 
wir sie für Tatsache hätten nehmen können. Im übrigen waren wir so müde, daß wir die Nachprüfung der 
Meldung der Fürsorge unserer Führer überließen und uns bald schlafen legten. Ansere wohlverdiente Ruhe 
sollte eine unangenehme Unterbrechung erleiden. Mitten in der Nacht wurde ich plötzlich aufgeweckt durch 
ein vielstimmiges Geschrei, das in einem gewaltig anwachsenden dreifachen Äurra ausklang. Mein erster 
Gedanke war, als mein Zelt aufgerissen wurde und mehrere Gestalten in mein Zelt drangen, die Engländer 
haben unser Lager überrumpelt und uns jetzt gefangen. Vor Augen stand mir schon das Bild, wie wir an 
Äänden gebunden, rechts und links englische Askari mit aufgepflanzten Seitengewehren, unfern Einmarsch in 
Nairobi hielten. Ich erkannte gegen den Sternenhimmel Askari. „Bwanna, Bwanna", rufen sie; ich: „uini 
tenna?, wengereza iko?", die anderen: „ndio, labda?" Unterdessen hatten sie mein Moskitonetz herunter¬ 
gerissen, das sie in der Eile nicht öffnen konnten; der Vorgang läßt sich natürlich gar nicht so schnell beschreiben, 
wie er sich zutrug. Immer noch im halben Traum schiebe ich die Kerle von meinem Bett zur Seite und springe 
hinaus vors Zelt. Zwischen den Zelten wogt es von Askaris und Speerträgern. Endlich löst sich die Panik 
in den einzelnen Ruf des Sol: „Simba (Löwe)!" Ein allgemeines „Ach" der Erleichterung. Innerlich über 
die Störung schimpfend, zog ich mich wieder in meine Häuslichkeit zurück, schlüpfte durch mein zerrissenes 
Moskitonetz und überließ mich den Einflüsterungen des Schlasgottes. Petzoldt, dessen Zelt neben dem meinen 
stand, hatte genau dieselbe Empfindung gehabt wie ich, daß es jetzt aus wäre, wir iu Gefaugenfchaft der 
Engländer wären, desgleichen unser geliebter Major v. Stuemer. Petzoldt fühlte sich insofern noch unglück¬ 
licher wie ich, weil er sich völlig ausgezogen hatte und sich im Schlafanzug von den Engländern abtrans¬ 
portiert sah. Auch Zeltmann soll in diesem Nachtkostüm aus dem Zelt gesprungen sein. Na, gottlob war 
es nur ein blinder Alarm, bei dem kein Schuß abgegeben wurde. 6 Ahr morgens Wecken (21 . November 1914), 
6.30 Aufbruch des Feldlazaretts, der Träger, die Askaris sollten später folgen. Bereits nach % Stunde 
Marsch kam von hinten Befehl zu halten. Kurze Zeit darauf Befehl, daß kehrt gemacht werden sollte, und 
die Meldung, der Feind habe die Boma Kisumbiro gesprengt und geräumt. Jemand, der nicht dabei war, 
wird uns schwer nachempfinden können, in welche glückliche Stimmung uns der Befehl verfetzte, der kurz 
darauf, als wir bereits den Rückmarsch angetreten hatten, durch die weitere Meldung ergänzt wurde, der 
Feind habe auch die befestigten Ufer am jenseitigen Kagera-Afer geräumt. Mit dem niederdrückenden Gefühl, 
wenn auch keine Schlappe erlitten, so doch mit unserm schön geplanten Vorstoß keinen Erfolg gehabt zu haben 
und den Rückzug antreten zu müssen, marschierten wir wieder dem Ngonofluß zu, und mit einemmal heißt 
es: „Kehrt! Marsch! Ihr seid ja die Sieger, der Feind ist ja geschlagen und hat diese festen, uns nach 12ftün- 
digem heißem Kampfe uneinnehmbar scheinenden Stellungen bereits gestern abend 7.30 Ahr geräumt und 
hat sich gänzlich aus der Landschaft Budu zurückgezogen." Der Amfchwung der Empfindung war zu Plötz- 
ltch. Petzoldt und ich ritten miteinander, und so oft sahen wir uns strahlend an und fragten uns, wie ist das mög- 
lich, ist es auch wirklich wahr? Die Äöhen, unsere Kampfstellen tauchten wieder vor uns auf. Ohue ein Äin- 
dernis mußten wir vor. Kein Schuß vor uns fiel, der auf die Anwesenheit des Feindes hätte schließen können. 
Eine Stunde vor uns waren die drei Züge der 7. Feldkompagnie im Eilmarsch hier durchgekommen. Alles 
still, alles ruhig. Kein Knallen der Maschinengewehre, kein Pfeifen und Surren der Kugeln. Ein Bild des 
Friedens bot die Boma und der Ort Kifumbiro, als wir durch die Bananenhaine als Sieger unseren Einzug 
hielten. Die Einwohner, Männer, Kinder und Frauen, warfen sich auf den Boden und stammelten Laute 
ihrer Ergebenheit, die sie noch tags zuvor den Engländern gezeigt hatten. Ein berechtigtes Gefühl des Stolzes 
aber beseelte wohl einen jeden von uns, als wir durch den Stacheldraht durch den schmalen Durchlaß im Dorn- 
verhau hinwegschritten und einzogen in die Boma. Die Sprengung hatte nur unbedeutende Schädigung an 
der Nord- und Westmauer hervorgerufen. Wir fanden alles in größter Anordnung vor. Möglich, daß die 
Wafchenzis, die vor unserm Kommen bereits das Innere der Boma nach brauchbaren Gegenständen abgesucht 
hatten, das Durcheinander vermehrt hatten. Den Telephonapparat uud die Isolatoren hatten die Engländer 
vor ihrem Abzug entzweigeschlagen, die Drähte abgeschnitten. Wände und Fenster zeigten Spuren des 
gestrigen Kampfes. Eine der vier nach der alten Boma abgefeuerten Granaten war an der Ecke des Wohn- 
Hauses krepiert. Den breiten Blutspritzern an der Wand und deu Pfeilern der nach Süden zu liegeuden 
Veranda nach zu urteilen, haben Geschütz und Maschinengewehre verschiedene Opfer gefunden. Anteroffizier 
Meckien hat das Durcheinander beobachtet, das die Granate hervorrief. Fast alle Fenster waren zerschlagen
	        
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