Volltext: Die Liebesproben

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Reinerz. Herr Doktor, ich kann zwar Ihre Motive nicht be— 
zreifen, aber das müssen Sie einsehen, daß Sie Augusten, die Sie 
liebt, durch Ihre Weigerung das Herz brechen. Ich habe gefehlt, ich 
bekenne es. Ich habe mich überreden lassen, Sie auf die Probe zu 
stellen; aber ich bitte Sie dafür um Vergebung. Sie werden doch mich 
alten Mann nicht um die einzige Freude meines Lebens bringen wollen, 
um das Glück und die Liebe meines Kindes! 
Wangner. Nicht ich bin es, Herr Baron, der Sie der einzigen 
Freude Ihres Lebens berauben wollte. Ich habe Ihnen keine Veran— 
lassung dazu gegeben, die Lauterkeit meiner Gesinnungen zu bezweifeln. 
Sie aber haben mit mir ein beleidigendes, unverantwortliches Spiel 
getrieben, und nun, da Sie finden, daß Sie dadurch sich selber eine 
Falle gelegt haben, kommen Sie hieher und glauben, daß Sie mir 
noch immer die höchste Ehre erweisen, die ein reicher Baron einem 
Manne, wie ich bin, erweisen kann, indem Sie mir sagen: „Ich gebe 
Dir meine Tochter, damit ich nicht unglücklich werde.“ Die Beleidigung, 
die Sie mir angethan, gilt Ihnen nichts, eine flüchtige Bitte um Ver— 
gebung für die bitterste Kränkung meines Lebens scheint Ihnen eine 
ausreichende Genugthuung zu sein. Nein, mein Herr, es gibt auch einen 
anderen Stolz als der ist, den Sie kennen, den Stolz der Selbst— 
ständigkeit und der Arbeit, und das ist mein Stolz. Ich bedarf Ihrer 
Millionen nicht, um als unabhängiger und geachteter Mann durchs 
Leben zu gehen, aber meines Stolzes bedarf ich dazu. Und wenn ich 
auch keine Millionen besitze, so habe ich doch etwas, was höher steht 
als alle Schätze der Welt und dieses Etwas, mein Herr, ist die Ehre! 
— Und nun, Herr Baron, geben Sie sich nicht die vergebliche Muüͤhe, 
mich zu überreden. Ich liebe Augusten, ich bin bereit, mein Leben für 
sie zu geben, aber meine Ehre nicht. 
Reiner z. Ich Unglückseliger, was hab' ich gethal! 
Wagner. Was Sie niemals hätten thun sollen, was Sie nicht 
verantworten können. J 
Reinerz. Herr Doktor, haben Sie Mitleid mit einem alten 
Manne, der ohne die Absicht, Sie zu kränken, bloß einer fremden Ein— 
gebung gehorcht hat. Ich habe dafür gebüßt, die Angst und die Sorge 
um Augusten verzehren mich. Retten Sie mich vor Verzweiflung! 
Wagnerxr. Hier ist jeder Ausweg abgeschnitten. Sie haben 
durch eine unüberlegte Handlung drei Menschen unglücklich gemacht. 
Bringen Sie Augusten meine letzten Grüße und sagen Sie ihr, daß 
ich sie ewig lieben werde Ich verlasse meine Heimat und werde ver— 
suchen, in einem unbekannten Erdtheile durch Entbehrungen und Ge— 
fahren meinen Schmerz zu betäuben. Leben Sie wohl. Ich vergebe 
Ihnen. (Rechts ab.) 
Vorhang fällt.)
	        
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