Volltext: Die Liebesproben

4 — 
Gertrud. Sie scheinen gestern auch mit den Pflichten eines 
Ehrenmannes abgerechnet zu haben, da Sie nicht begreifen, daß Sie 
mir wenigstens diese Erklärung schuldig sind. 
Wagner. Ich wiederhole es, Baron Reinerz bedarf meiner 
Erklärung nicht; und was Sie betrifft, gnädige Frau, so werden Sie 
heute noch von dem Verdachte, als meine Mitschuldige zu gelten, ge⸗ 
reinigt sein. 
Gertrud. Mein Herr, ich verstehe Sie nicht. 
Wagner. Sehen Sie sich doch gefälligst hier um. Wie finden 
Sie meine Wohnung? I 
Gertrud. Was hat Ihre Wohnung mit dieser Angelegenheit 
zu schaffen⸗ —— 
„Wadgnex. Ich dächte doch. Sieht sie etwa darnach aus, als 
stünde ich im Begriffe, eine glückliche Braut hier einzuführen? 
„Gertrud. Das wohl nicht, aber doch so, als ob Sie sich an— 
schickten, ihr ein neues Heim zu bereiten. 
Wagner. H, es ist bei uns noch nicht Sitte, eine Hochzeits⸗ 
reise nach dem Nordpol zu machen. 
Gertrud. Ich glaube nicht, daß Ihre Liebesglut das Nord— 
poleis zu schmelzen vermöchte. B 
Wagner. Gestern habe ich daran geglaubt. Nun aber will 
ich es versuchen, meine Liebesglut dort abzukühlen. I 
Gertrud. Sie suchen mir auszuweiche — 
Wagner. Ich bin bei der Sache. Ich habe mich der Expedition 
angeschlossen, die in den nächsten Tagen nach dem Nordpol abgehen wird. 
Gertrud. Eine unglaubwürdige Ausflucht. F 
„Wagner. Alle Welt wird begreifen, daß Derjenige, der das 
Glück hat, Ihre Liebe zu besitzen, nicht so undankbar sein wird, sich 
dieses Glückes, fern von Ihnen, in den Eisbergen des Franz Josefs— 
landes erfreuen zu wollen. I 
Gertrud. Sie haben also Augusten aufgegeben, um die Expe— 
ditivn nach dem Nordpol mitzumachen? 
Wagner. Ganz im Gegentheil. Ich gehe nach dem Nordpol, 
weil ich Augusten aufgeben muß, und weil“ es mich rasend machen 
würde, mit eigenen Augen sehen zu müssen, daß ein Anderer das Gluüͤck 
genießt, welches ich verloren habe. I I 
Gertrud. Ihre Worte klingen mir immer räthselhafter. Sie 
lieben Augusten? 
Wagner. Unsäglichhe 
Gertrud. Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als an 
Ihrer Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln. 
Wagner, Zweifeln Sie an der Gerechtigkeit des Himmels. 
Ich habe mich geopfert, um Augusten einen Kampf zu erleichtern, 
der sie dahin führen mußte, das Opfer von mir zu fordern, welches 
ich ihr freiwillig gebracht habe — das Opfer meiner Liebe.“
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.