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Sieben Lage durch verschneite Wälder
dem Bahnhof wimmelte es von sonntäglichen Men-
-^Aschen. Ein Pelzmarkt wogte hin und her. Alle Felle der
Welt mit bärtigen Russengesichtern schoben sich friedlich durch
einander.
Ich steckte eine Ankunftskarte an die Landsmännin in T.
in den Kasten. Plouhar machte einen großen Bogen um
einen langen Gendarmen. Dann standen wir vor dem Bahn
hof im Gewimmel von Schlitten, die wie lackierte Schachteln
klein und putzig im Schnee standen. Pferdeglocken bimmelten,
Droschkenkutscher und Gepäckträger schrien, Damen lachten.
Durch die kalte Winterluft, 'so klar und rein, wie sie nur
Sibirien kennt, zog Patschuligeruch und Mottenpulver. Über
alledem stand eine festtägliche Sonne. Es war ganz Sonn
tag, ganz Winterlust.
Ich saugte mich mit allen Sinnen in dies Bild, kam doch
jetzt der Abschied von Zivilisation und Menschheit. Wir woll
ten ja verschwinden in Schnee und Urwälder, wo Menschen
unsere Feinde waren, nur Waldtiere unsere Freunde sein
durften. Weit im Süden, nach mehreren tausend durch
quälten Kilometern, wollten wir erst wieder zu Menschen gehen,
die dort hinter der Chinesischen Mauer auf Holzschuhen trip
peln und lange Zöpfe tragen.
Eine schwarze Lackschachtel bimmelte mit uns durch den
Schnee. Auf die Frage des Kutschers sagte Plouhar: „Gerade
aus." Das war alles, was ich wußte und wollte — geradeaus.
Nach zehn Minuten traten die letzten winzigen Holzhäuser
von der Straße zurück. Der Kutscher fragte nicht, warum wir
hier aussiiegen. Ein Kutscher fragt nicht und fährt, bis man
ihn halten läßt.