Volltext: Die Wölfe [42]

Punkte stiege» sie in schwindelnde Höhen. Untergehende 
Sonne machte aus den grauen Felsen glühende Farben- 
fackeln. Samt, lächelte der Mond ein rätselhaftes Lächeln 
über breite Schneehalden, die tosende Eisbäche in die Täler 
stürzten. Fels- und Eiskompositionen, über denen riesige 
Adler mit breiten Flügeln rauschten, märchenhaftes. Gebirge, 
doppelt märchenhaft in seiner Unberührtheit, die nur pfeifende 
Murmeltiere durchschritten, springende Steinböcke und der ge 
hetzte Fuß eines Räubers, der aus seinem Felsennest steigt, 
um den Reisenden seinen Bergzoll abzunehmen. 
Über dreitausend Meter hoch froren wir jämmerlich und 
hüllten uns in unsere dünnen Schlafdeckev, durch die die Glet 
scher eisig hauchten. Um zwei Uhr morgens hielten die müde» 
Pferde am Fuße des Kasbek, der schönsten Bergstation der 
Welt. Was sich hier im bleichen Mondschein an glitzernden Eis 
palästen auf breiten Schneeteppichen türmte, wie die tosenden 
Wasser in bodenlose Liefe stürzten, beschreiben keine Worte. 
Die Heerstraße sank in Serpentinen zu Tal, die Gletscher 
zogen ihre Eisarme zurück, es wurde wieder grün, und die 
Sonne kochte unter unglaublich blauem Himmel. 
Im breiten Felsental steigt aus der Ferrre die Silhouette 
einer großen Stadt, Tiflis, die alte Königsstadt der Grusinier. 
Hoch über ihr im blauen Farbentopf kreiste ein glitzernder 
Riesenvogel — ein russisches Flugzeug. 
Menschen lärmten, als wüßten sie nichts von den Einsam 
keiten des Hochgebirges, überall Sonne, Lachen, Sommer 
kleider, ein betäubender Duft südländischer Früchte. Der 
Landauer fuhr in die Poststation. Wir stiegen aus und regten 
die in zweitägiger Fahrt eiugeschlafenen Beine. 
In zwei Gruppen strebten wir dem Stadtinneren zu, der 
Doktor und ich einen alten, schäbigen Kartoffelsack mit unsere» 
Habseligkeiten auf dem Rücken. Unsere Begleiter stiegen in eine 
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