Volltext: Die Wölfe [42]

Schwarzen ohne Begleitung zu treffen, um ihm eine Kugel in 
die Rippen zu jagen. Solange der Schwarze begleitet wurde, 
wagte er nicht zu schießen, um nicht versehentlich den Falschen 
zu treffen und dadurch selbst unter Blutrache zu kommen. 
Am siebenten Abend gürtete ich meinen Dolch und ging 
ins Nachbardorf, um nach Jsmael zu sehen. Er war zurück 
und bat, daß wir gleich in sein Haus übersiedeln möchten. 
Albast begleitete uns bis vor das Dorf. Auf einem kleinen 
Hügel umarmte er uns mit Tränen in den Augen und konnte 
sich nicht txennen. „Allah schütze euch, Germanen." Er rieb 
seine stachlige Wange an unsere nicht weniger bartverwilderten 
und stammelte seinen russischen Wortschatz. 
Ein Wind flog über das Tal, daß der Mais klagte, jagende 
Wolken türmten sich, Blitze zuckten, Donner krachten. Mit 
wehenden Kleidern kämpfte sich ein kleiner Greis auf den Hü 
gel. Uralt wackelte sein zahnloser Kopf unter einem grünen Tur 
ban, der den Mekkapilger kündete. Blutigrot leuchtete sein Pur- 
purbeschmet in den grellen Blitzen — es war der einzige noch 
lebende Krieger Schamils, den die Leute auf hundert Jahre 
schätzten. Der alte Krieger, der im Kopf etwas konfus zu sein 
schien, der vor sechzig Jahren fünfundzwanzig lange Jahre mit 
Säbel und Reiterpistole gegen die Russen gekämpft, umarmte 
uns unter Blitz und Donner abwechselnd mit Albast. „Oh, oh, 
Germanen, Germania," sagte er. Mehr verstanden wir nicht. 
Das Leben macht sonst jeden Tag ein anderes Gesicht — 
hier schien es mit dem gleichen Sommerlächeln, in das lang 
sam ein herbstliches Messinggelb kam, durch Jsmaels geputzte 
Scheiben, wenn ich in einem ordentlichen Sessel mit weiß- 
leinenem Überzug am Fenster saß oder meinen rasierten 
Mohammedanerschädel im Garten bräunen ließ zwischen 
riesigen Sonnenblumen, die von mannshohen Stengeln ihre 
reifen Körner mir vor die Füße streuten.
	        
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