Volltext: Die Wölfe [42]

Noch lange, als unser Wagen durch die Felder rollte, sah 
ich über den rauschenden Maiskolben die große Butterblume 
auf dem Kopfe des jungen Wächters. 
Die Poren schwitzten mit offenen Mäulern, in der flirrenden 
Luft standen Bündel von glühenden Sonnenstrahlen. 
Von der Höhe des kahlen Bergrückens schüttelte ich meine 
Faust gegen ein hartes Schicksal, das mich fast zwei Jahre im 
verhaßten Rußland geknechtet. Hier stand ich an einer neuen 
Grenze, einer besseren als damals an der eisdurchhauchten 
sibirisch-mongolischen. Unter uns schlief in kochender Mittags 
sonne ein breites Tal. Maisfelder schlugen ihre Kolben zusam 
men, daß es rauschte, am jenseitigen Hang glühten rote und 
weiße Flecke unter grünen Wäldern, schlanke Minaretts ragten 
in den blauen Himmel — das Land der Inguschen! 
Aus mannshohem Mais traten zwei Männer, um Hauptes 
länge höher als wir. Von den Schultern zum Gurt und um 
die Hüften starrten Patronen, in den Händen drohten Ge 
wehre. Einem der Wächter, einem stattlichen, schlanke» Greis 
mit kinderguten Augen, schlug eine lange, silberbeschlagene 
Reiterpistole die Hüfte. 
Mißtrauisch musterten sie uns, daß es einem heiß wurde. 
Rach einigen raschen Worten unseres Kutschers kam eine 
lachende Freude in die braunen Gesichter, ihre stolze» Köpft 
neigten sich, ihre harten Hände drückten warm: „Willkommen, 
Germanen !" Von dieser Stunde an war uns ein Kaukasier 
nie wieder unheimlich. 
Die beiden kletterten auf unseren Wagen und sagte» mit 
ehrlicher Bewunderung in den Augen: „O, ihr habt die Mil 
lionen Russen geschlagen, feine Kascha (Brei) haben die 
Deutschen aus Rußland gemacht." 
In einem kleinen Zimmer zog uns ein alter, grauhaariger 
Verwandter des Wächters die Stiefel aus, breitete Teppiche
	        
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