Volltext: Die Wölfe [42]

169 
Nach einer Nacht, in der die bange Schicksalsfrage lastet, 
erwacht der Doktor. 
Das Abteil ist leer, die Wache verschwunden! 
Erstaunt reibt er sich die Augen: ja, wirklich, man hat 
ihn liegenlassen, einfach vergessen. 
Jeder andere wäre nun aufgesprungen und hätte sich ein 
harmloseres Abteil gesucht. Nicht so der Doktor. Ruhig 
bleibt er liegen, hier im Wachtabteil wird ihn niemand nach 
Pässen fragen. 
Neue Soldaten steigen ein, schnallen die Patronentaschen 
um und gehen den Zug revidieren. Mit dem Doktor unter 
halten sie sich, bis der Zug in Moskau einläuft. 
,Reiß kennt Moskau, besucht den Rechtsanwalt seines 
Schwagers, der ihm Geld gibt und den guten Rat, schleunigst 
das heiße Moskauer Pflaster zu verlassen und zu versuchen, 
über die Petersburger Badeorte die finnische Grenze zu über 
schreiten. 
Guter Rat ist immer billig, wie wenige Menschen würden 
das selber tun, was sie anderen empfehlen. Es ist leicht ge 
sagt: „Reisen Sie!" — Und Pässe? Zweimal hat man nicht 
solch ein Glück, verhaftet und vergessen zu werden. 
Fräulein Margot, der ich von Reiß geschrieben, bringt 
ihn zu einem kurländischen Gutsbesitzer, der meine Familie 
gut kennt und mit meinem Vater einige Zeit während seiner 
Flucht zusammen war. 
Ganz Moskau ist in Spionenangst. 
Drei Tage und Nächte bringt der Doktor im gastlichen 
Hause zu. Ganz früh, bevor das russische Dienstmädchen 
aufsteht, verläßt er über die Hintertreppe die Wohnung und 
klingelt einige Stunden später wieder am Herrschaftseingang. 
Das Glück liebt die Tüchtigen und wirft Reiß, der alles 
mögliche unternommen hat, einen Paß in den Schoß.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.