Volltext: Richtlinien für die Agitation bei den Gemeindewahlen in Oberösterreich

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lingsquote die bäuerliche Bevölkerung nicht allzuhart tref 
fen würde. Die Großgrundbesitzer mit mehr als 200 Joch 
Grund hätten allerdings einen größeren Ausfall, aber 
auch Reichtum verpflichtet, und sie hätten für das gebrachte 
Opfer das fchöne Bewußtsein redlich erfüllter sozialer 
Pflicht. 
In anderen Staaten sind ja ähnliche, vielfach noch här 
tere Bestimmungen in Geltung. In der Schweiz fällt 
der volle Ertrag der Jagd an den Staat, in Hessen 
wird er Wohlfahrtszwecken zugeführt. In Baden er 
halten die Grundbesitzer nur 2 Prozent des Jagdpacht 
schillings, 98 Prozent müssen an die Gemeindekasse abge 
führt werden. 
Da für den Entgang an Jagdpachtschilling eine ent 
sprechende Herabsetzung der Armenlasten einträte, wäre 
der effektive Verlust für alle Besitzer von weniger als 200 
Joch Grund kaum fühlbar, man könnte daher glauben, 
daß die Landtagsmehrheit sich beeilen würde, den von der 
sozialdemokratischen Partei eingebrachten Gesetzentwurf 
anzunehmen. 
Aber sonnenklar zeigte es sich auch hier wieder, daß die 
106 Großgrundbesitzer, die ein Viertel des Landes Ober- 
österreich besitzen und die Verpachtung ihrer Jagden schroff 
ablehnen, mehr für die bürgerliche Mehrheit bedeuten und 
mehr Macht repräsentieren als die hunderttausend kleinen 
und mittleren Besitzer. Der sozialdemokratische Jagd- 
gesetzentwurf vergilbt im Gemeinde- Und Verfassungsaus- 
schusse des oberösterreichischen Landtages, der sich mit ihm, 
trotzdem er vor mehr als drei Jahren eingebracht wurde, 
bisher n'cht beschäftigt hat. 
Der Abgeordnete Hafner hat deshalb am 18. Dezem 
ber 1923 Protest gegen die frivole Verschleppung der Jagd 
gesetzreform in einem Antrage erhoben, in dem es heißt: 
„Obgleich nun der o b e r ö st e r r e i ch i sch e Landes- 
knlturrat selbst in seinem nach Beendigung des Krie 
ges aufgestellten Reformprogramm unter Punkt M.: 
J a g dund Fischerei „die Aufhebung der Eigenjagdeu 
und Zuweisung derselben an die Gemeinden zur Verpach 
tung" gefordert hat, hielt es der Gemeinde- und Verfas 
sungsausschuß für unnötig, sich mit unserem Antrage zu 
beschäftigen. Das Interesse an der Wahrung des feudalen 
Jagdvergnügens eines hohen Adels überwog jede andere 
Rücksicht. Mochten die Armen des Landes verhungern, die
	        
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