Volltext: Sterbende Welt

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Neuntes Kapitel. 
dieser Behüter oder dessen Nachfolger kannte. So kam es, daß 
— wohl durch plötzlichen Tod eines solchen — der Vogel in Ver⸗ 
lust geriet. Darüber herrschte auf ganz Neuseeland große Trauer, 
die sich in Klageliedern kundtat, die sonderbarerweise bei den 
Stämmen der Nord- und Südinsel gleichen Wortlaut hatten. 
Eines Tages fand ein Maori beim Entwurzeln eines Baumes 
in einer Höhle den kostbaren Vogel. Die Freude der Maori war 
allgemein. Als z. B. der Häuptling der Ngatimaniapoto den 
Korotangi sah, stellte er ihn vor sein Lager und weinte vor ihm 
jeden Morgen einen „Tangi“ (Klagelied))J. 
Eine Engländerin, Frau Wilson, erwarb schließlich die Reli— 
quie, und ich erwirkte vom damaligen Besitzer des Vogels, Major 
John Wilson, die Erlaub— 
nis, einen Gipsabguß vom 
Original herzustellen, der 
sich nunmehr im Wiener 
Naturhistorischen Staats- 
museum befindet. Das Alter 
dieses Vogels wird sich 
schwer bestimmen lassen. 
Ein etwas exakteres 
Hilfsmittel für die Zählung 
der Maorigenerationen sind die Priesterstäbe (He Rakau Papatu⸗ 
puna). Es waren Hartholzstäbe von 75 bis 105 Zentimeter Länge, 
von einem verdickten Ende nach dem andern spitz zulaufend, die 
mit dicht nebeneinanderliegenden Einkerbungen versehen waren, 
so daß sie einer Säge glichen. Die Priester (Tohunga) eines jeden 
Stammes hatten diesen Stab in Verwahrung. Wenn der —W 
häuptling starb, wurde eine Kerbe in den Stock geschnitzt. So 
läßt sich aus der Zahl der Kerben auf das Alter eines Stammes 
schliehßen. Nach diesem „Maßstabe“ und nach der Tradition kann 
man die Maori 15 bis 20 Generationen zurückverfolgen. also 
nur bis ins 12. Jahrhundert. 
Die Sprache der Maori ist wohlklingend, vokalreich und den 
übrigen polynesischen Dialekten verwandt. Charakteristisch ist die 
Silben- und Wortverdopplung zur Bezeichnung der Menge, Fülle, 
Intensität; z. B. kino —S schlecht, kikino — sehr schlecht. 
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