Volltext: Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen und einer kurzen Geschichte der Musik.

7 
(Ausser diesen wurden aber bis zum Anfänge des XIV. Jahrhunderts, wie wir schon bemerkten, auch 
oft die alten Noten allein, ohne auch nur Eine Linie zu ziehen, über den Text geschrieben. Beispiele sind 
Gerbert T. XVI. u. XV 11)« 
Nach dieser näheren Charakteristik der in der christlichen Kirchenmusik gebräuchlichen Tonzeichen 
kommt S. 37 — 58 eine ausführliche Abhandlung über die Musikreform Guiclo’s von Arezzo, J) welchem 
unstreitig das grosse Verdienst gebühre, die bisher mit erstaunlichen Schwierigkeiten verbundene Erlernung der 
Musik erleichtert zu haben, und zwar dadurch, dass er zuerst die Tonzeichen sehr vereinfachte und doch zu¬ 
gleich sehr bestimmt in Hinsicht ihrer Höhe und Tiefe ausdrückte. 
„Die von Guido veranstaltete Musikreform,“ sagt Schwarzenbrunner, „lässt sich vorzüglich auf 
2 Hauptpunkte zurückführen: 1. auf die Einführung der Hexachorde statt der bisher gewöhnlichen Tetra- 
chorde, und 2. auf eine neue, zweckmässige Tonbezeichnung.“ 
„Guido zergliederte sein System in 7 Hexachorde oder Sexten und bezeichnete die Saiten oder Töne 
nach der Ordnung überhaupt mit den 6 Silben ut, re, rai, /a, sol, Za, welche er aus den Hemistichien der ersten 
Strophe eines Hymnus zu Ehren des hl. Johann Bapt. entlehnte.“ 2) 
Nach einer kurzen Erläuterung dieser Hexachorde und Vergleichung derselben mit den altgriechischen 
Tetrachorden geht Schwarzenbrunner über auf Guido’s epochemachende Reform der Notenzeichen, indem er 
sagt: „Weit wichtigere und bleibende Verdienste hat sich Guido durch eine 2\? Anordnung erworben, welche 
die Notenzeichen betraf. Er verwarf nämlich die bisher gewöhnlichen Notenzeichen, welche, wie gesagt, in 
Strichen, Punkten und Schnirkeln bestanden, und wählte dafür eine doppelte, weit zweckmäßigere Bezeich¬ 
nungsart. “ 
*) Da mit diesem Manne eine der wichtigsten Epochen in der Musikgeschichte beginnt, sei es gestattet, eine kurze 
Lebensskizze hier einzuschalten. Guido von Arezzo, im Flor entmischen gebürtig, trat im Kloster Pomposa bei Ravenna in den 
Benedictinerorden und gab daselbst einigen Knaben Unterricht in der Musik. Sein musikalisches Genie, noch mehr aber sein 
Bestreben, den ihm anvertrauten Knaben durch einen einfachen und deutlichen Lehrvortrag die Erlernung der Musik so viel als 
möglich zu erleichtern, liess ihn sehr bald auf den eigentlichen Grund der bisherigen fast unüberwindlichen Schwierigkeiten hin¬ 
durchdringen und sehr glücklich eine neue Bahn brechen, worauf man in viel kürzerer Zeit zum Ziele gelangen konnte. Seine 
Erfolge in diesem Fache erregten den Neid seiner Mitbrüder, deren Umtrieben es gelang, das Gemüth des Abtes von ihm abzu¬ 
wenden. Guido musste sein Kloster verlassen, irrte durch einige Zeit gleich einem Vertriebenen in der Fremde umher, bis er bei 
dem Bischöfe von Arezzo, Theobald, eine Zufluchtsstätte fand, wo er seine Studien und seine gemeinnützigen Arbeiten wieder 
vornehmen konnte. Der Ruf von den erstaunenswürdigen Fortschritten seiner Zöglinge drang bis zu dem Papste Johann XIX. 
(welchen einige auch den XX. nennen), welcher ihm drei Boten zuschickte, um ihn nach Rom einzuladen. Guido machte sich 
endlich in Begleitung zweier Prälaten dahin auf den Weg, und hatte das Glück, dem heiligen Vater vorgestellt zu werden, der 
sich auf das liebreichste mit ihm unterhielt und sich von desselben vortrefflicher Methode überzeugte, indem Er nach seiner 
Anleitung im Stande war, aus dem Ihm vorgelegten Antiphonar einen Gesang vom Blatte auszuführen. Die Sommerhitze nöthigte 
Guido nach wenigen Tagen die Stadt zu verlassen, nicht ohne vorher von dem heiligen Vater auf das dringendste zur Wieder¬ 
holung seines Besuches aufgefordert worden zu sein (welche jedoch, wie die Umstände schliessen lassen, nicht mehr erfolgte). 
Guido gab den Aufforderungen seines vormaligen Abtes nach, der sein früheres Benehmen gegen ihn schon lange bedauerte, und 
war, wie er seinem Freunde Michael schreibt, entschlossen, in das Kloster zu Pomposa zurückzukehren. Es ist glaublich, dass 
er den angekündigten Vorsatz ausführte und dort in ungetrübter Gemüthsruhe und gewohnter Thätigkeit sein Leben beschloss. 
(Guido von Arezzo. Sein Leben und Wirken. Von R. G. Kiesewetter. Leipzig 1840.) Seine Lebenszeit, welche von den Schrift¬ 
stellern verschieden angegeben wird, lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit in die Jahre 1010—1050 setzen. Guido gilt für den 
Verbesserer des Kirchengesanges (sein Antiphonarium) und der Musik überhaupt, für den Erfinder der Notenschlüssel, gewöhn¬ 
lich auch der Notensilben ut, re, mi, fa, sol, la; und war der Erste, welcher die Noten zwischen die Linien setzte. Dass Guido 
auch der Erfinder des Monochords gewesen sei, wie meistens angenommen wird, bestreitet A. W. Ambros (Geschichte der Musik. 
Breslau 1862. B. II. S. 151), da das Monochord nicht allein bei Boethius, sondern auch bei den musikalischen Mönchen vor Guido 
(Hucbald, Oddo u. s. w.) eine so wichtige Rolle spiele. Seine wichtigsten Erfindungen in der Musik legte Guido in einem Werke 
nieder, welches er im 34. Jahre seines Alters veröffentlichte und dem Bischöfe von Arezzo, Theobald, dedicierte. Er nannte es: 
Micrologus de disciplina artis musicae. (Siehe Martini Gerberti Scriptores de musica sacra. 1784.) 
2) WJt queant laxis resonare fibris 
Mira gestorum fumuli tuorum, 
Sotve polluti iabii reatum, 
Sande Joannes. 
Hymnus ad Vesperas in Nativitate S. Joannis Bapt. — Es wird kaum der Erwähnung bedürfen, dass der heilige Johann der 
Täufer, den die Bibel vox clamantis nennt, für den Patron der Sänger gilt.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.